Erstfassung März 2000 - immer noch aktuell und gültig im Dezember 2000

Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft
"Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"
und
der Aufruf der IHK Stuttgart
durch Präsident Stihl zur
Teilnahme an dieser Stiftungsinitiative


IHK Präsident Stihl forderte Unternehmer und die Mitglieder der Industrie- und Handelskammern auf, an dieser Stiftung mitzuarbeiten.
Diese Stiftung ist im Internet zu finden unter www.stiftungsinitiative.de

Hier sind 3 Argumente und 3 Gründe gegen diese Stiftungsinitative:
1) Das Informationsblatt der IHK, die Aussagen der Stiftungsinitiative stimmen nicht.
2) In der Sache ist diese Initiative abzulehnen.
3) Die Initiative mißt mit zweierlei Maß.



Zum Argument 1)
Das von Herrn Stihl vorgelegte „Informationsblatt für Unternehmen“ stimmt nicht in einem ganz entscheidenden und wichtigen Punkt.
Es sollen mit dieser Stiftung 10 Mlrd DM aufgebracht werden.
Nach dem heute erhältlichen Entwurf des Gesetzes zur Errichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ werden diese 10 Mrd. DM keinesfalls je zur Hälfte von der Wirtschaft einerseits und vom Bund andererseits aufgebracht.
Vielmehr sieht der Gesetzentwurf vor,
daß sämtliche Unternehmen, an denen der Bund und die Länder mit mehr als 50% beteiligt sind,
ihre Zahlungen für Rechnung des Bundes und der Länder leisten sollen.

Erhebliche Zahlungen der deutschen Wirtschaft, darunter von Unternehmen wie der Deutschen Telekom, sollen also nicht dem Konto der Wirtschaft, sondern dem Konto des Bundes zugeschrieben werden.

Die Wirtschaft hätte also zwischen 7 Mrd. DM bis 8 Mrd. DM aufzubringen,
während die Gebietskörperschaften sich auf den Rest beschränken.

Der Öffentlichkeit wird dieser Trick des Gesetzentwurfes vorenthalten.
Man kann aber davon ausgehen, daß die Befürworter der Stiftungsinitiative, beispielsweise Herr Stihl, genau Bescheid wissen.
Ein Protest gegen diesen Trick fehlt immer noch - gibt es da gar eine gegenseitige Abstimmung?



Zum Argument 2)
Auch in der Sache selbst gibt es guten Grund, die Stiftungsinitiative abzulehnen.
Hierzu siehe auch die Veröffentlichungen in der
Zeitschrift Die Aktiengesellschaft, Ausgabe 2 / 2000, 1. Februar 2000, Seite 62:
"Darf der Vorstand zahlen?  Die Zwangsarbeiter und das Aktienrecht" - Dr. W. Philipp
und
die Zeitschrift Die Aktiengesellschaft, Ausgabe 2 / 2000, 1. Februar 2000, Seite 69:
"Zwangsarbeit und Reparationen"  Prof. Dr. Dr. h.C. Karl Doehring

Als Präsident der Industrie- und Handelskammer und als Unternehmer in einer freien Wirtschaft verwendet Herr Stihl den Begriff „die Deutsche Wirtschaft“ in einer Weise, als ob wir uns noch im Sozialismus der ehemaligen DDR befänden.
Nur dort war „die Wirtschaft“ eine ausschließlich im Besitz des Staates stehende Einheit.
In unserem freien marktwirtschaftlichen System ist dies gerade nicht der Fall.
Man muß sich schon wundern über Herrn Stihl.

Es gibt auch weder eine Kollektivschuld noch gibt es eine Kollektivverantwortung der einzelnen Unternehmen.
Die Stiftungsinitiative ist das Werk einiger weniger Großunternehmen, welche sich vorher mit der übrigen Wirtschaft in keiner Weise in Verbindung gesetzt haben.
Offenbar stecken diese jetzt in der Klemme, weil sie die ins Auge gefaßten Beträge nicht selber aufbringen können oder – auch hierfür gibt es inzwischen Literatur – gar nicht aufbringen dürfen, weil solche Zahlungen das Aktienrecht verletzen und damit rechtswidrig sind.
Ein Aufruf zu rechtswidrigem Verhalten der Wirtschaft durch den Präsidenten der IHK, durch Herrn Stihl?
Man muß sich wundern.

Es muß auch festgestellt werden:
Die damals existierenden deutschen Unternehmen waren für das Zwangsarbeiterproblem nicht
verantwortlich.
Die Verantwortung lag ausschließlich bei dem totalitären Staat, der die Wirtschaft zwangsweise in seine Ziele einspannte.

Der Wirtschaft fehlten im Krieg etwa 10 Mio. Mitarbeiter, weil deutsche Arbeiter Soldat werden mußten.
Deshalb wurden zur Erreichung der vom Staat vorgegebenen Produktionsziele ausländische Mitarbeiter beschäftigt.
In der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung wird dies auch zum Ausdruck gebracht mit den Worten  "es gibt keine Verpflichtung mehr".
Auch hierzu gibt es weitere Literatur, die Herr Stihl sicherlich kennt.

Literaturquellen stelle ich auf Anfrage gerne zur Verfügung
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Sollte es aber trotz allem eine Verpflichtung einzelner deutscher Unternehmen neben der Verpflichtung des Staates zusätzlich gegeben haben,
so ist diese Verpflichtung längst erfüllt.

Durch den Bombenkrieg wurde die deutsche Wirtschaft weitgehend zahlungsunfähig gemacht.
Nach dem Krieg wurden in großem Umfang noch verbliebene private Fabriken demontiert und in die Siegerstaaten transportiert.
Das gesamte Auslandsvermögen und sämtliche Schutzrechte deutscher Firmen wurden ersatzlos beschlagnahmt.
In Ostdeutschland ging ein Drittel des damaligen Reichsgebietes mit dem Vermögen von Firmen und dem Privatvermögen deutscher Bürger an die Siegerstaaten.

Es wäre die Sache dieser Siegerstaaten gewesen, mit dieser Beute auch die Zwangsarbeiter zu entschädigen, so wie Deutschland die Vertriebenen intern durch den Lastenausgleich entschädigt hat.

Alles waren völkerrechtlich Reparationen, wie kürzlich in einem Aufsatz des Heidelberger Staatsrechtsprofessors Doehring in der Zeitschrift „Die Aktiengesellschaft“ im einzelnen dargestellt wurde.

Darüber hinaus hat Deutschland unermeßliche Zahlungen auch für die Zwangsarbeiter bereits geleistet, was sogar in der Begründung des Regierungsentwurfes zu lesen steht.

Es gibt also nicht nur keine rechtlichen, sondern auch keine moralischen Verpflichtungen derjenigen Unternehmen, die vor 55 Jahren Zwangsarbeiter beschäftigt haben.
Erst recht gibt es keine Verpflichtung von Unternehmen, die damals noch gar nicht existierten.


Der eigentliche Hintergrund der Aktion ist die von den USA mit Hilfe von Sammelklagen und von rechtswidrigen Drohungen ausgehende Erpressung, die einer Schutzgelderpressung nicht unähnlich ist.

Es wäre Sache der deutschen Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft, und damit auch des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer, Herrn Stihl, schon im Interesse der Wahrung des Rechts im nationalen und internationalen Bereich dieser Erpressung entgegen zu treten.
Statt dessen wird diese Erpressung als hochmoralisch dargestellt und es wird nachgegeben.

Es kann nicht die Aufgabe mittelständischer Unternehmer sein, den Absatz deutscher Großunternehmen zum Beispiel in den USA zu sichern.

Ich glaube auch nicht daran, daß nur ein einziges Unternehmen, welches hier „spendet“, wirklich an die Zwangsarbeiter denkt!

Es geht nur darum, die von den USA ausgehende Nötigung abzuwehren.
Dieses aber ist aussichtslos, denn auf eine Nötigung folgt stets die nächste.

Es ist auch völlig ausgeschlossen, durch irgendwelche „Garantien“ der US-Regierung etwa die Rechte von ehemaligen Zwangsarbeitern, die überwiegend in Osteuropa leben, abschließend zu regeln.

Geradezu ein Skandal ist es, daß die in dem Regierungsentwurf vorgesehene Anrechnung früherer deutscher Zahlungen in den Verhandlungen des Grafen Lambsdorff gestrichen wurde!

Dadurch werden ehemalige jüdische Zwangsarbeiter, welche längst entschädigt wurden, zu Lasten aller anderen Zwangsarbeiter doppelt  entschädigt.
Das kann niemandem einleuchten.
Hier wird der rechtswidrige, von den USA kommende Druck sichtbar.
Dieser erschüttert sogar die von der Bundesregierung bisher eingenommene rechtliche Beurteilung.

Deutsche Unternehmen haben sich durch Zwangsarbeiter nicht „bereichert“.
Wenn die Löhne unterdurchschnittlich waren, so mußte dies auch bei der Preiskalkulation berücksichtigt werden. Die Bemessungsgrundlage für den Gewinnausschlag verminderte sich sogar, so daß die Unternehmen bei der Beschäftigung von Zwangsarbeitern eher noch schlechter dastanden.
Diese Art der Preiskalkulation gilt auch heute noch für Rüstungsaufträge, wie Herr Stihl sicherlich sehr gut weiß.

Auch ist zu berücksichtigen, daß Deutschland genug Probleme im eigenen Land hat.
Eine Million deutsche Kinder leben von der Sozialhilfe.
Die Ausbildung an unseren Schulen ist mangelhaft.
Nun wird gar erwogen, Spezialisten aus dem Ausland nach Deutschland zu holen, weil der eigene Nachwuchs nicht ausreichend ausgebildet wurde.
Wann wird endlich an die Zukunft der nächsten eigenen Generation gedacht?

Würden die 10 Mrd. DM gezahlt, würde dies zwangsläufig zu Steuererhöhungen beziehungsweise zu Preiserhöhungen der Wirtschaft führen.
Wieder würden gänzlich unbeteiligte Steuerzahler, kleine Leute, unser Mittelstand und auch Aktionäre belastet.
All dies ist nicht vertretbar.


Zum Argument 3:
Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

Es gibt eine Unzahl deutscher Zwangsarbeiter, die in genau der gleichen Weise oder gar noch schlimmer nach dem Krieg gelitten haben, in England und den USA, in Frankreich und Rußland, in Polen und in der ehemaligen Tschecho-slowakei.
Von diesen spricht kein Mensch, keine Bundesregierung.
Auch die Wirtschaft setzt sich nicht für diese Menschen ein.
Auch von Herrn Präsident Stihl, hat noch niemand einen Aufruf zur Unterstützung dieser deutschen Opfer gehört.

Mein Rechtsverständnis empört sich gegen das Verlangen des Herrn Stihl.
Mein Rechtsverständnis empört sich gegen seine Position, gegen sein Verhalten.

Was meinen Sie?
Was könnte man tun?

Was würde passieren, wenn Mitglieder der IHK den IHK-Beitrag - immerhin ist das eine Zwangsmitgliedschaft  - nur noch zur Hälfte bezahlten, bis geklärt ist, ob der Aufruf der IHK und des Herrn Stihl rechtsmäßig ist?
Eine interessante Frage.

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