Organisierter
Beschaffungsextremismus
in
Baden-Württemberg
Vorbemerkung:
In den Jahren 1994 bis 1996 wurde im Raum
Karlsruhe den Republikanern von jungen Leuten im Wahlkampf Hilfe angeboten.
Kurz danach wurden Die Republikaner beschuldigt, mit Rechtsextremisten
zusammenzuarbeiten und konnten sich dies nicht erklären.
Durch Zufall traf ein Mitglied der Landtagsfraktion
während einer beruflichen Schulung eine unter Alkohol stehende Person,
die sich brüstete, in Karlsruhe eine rechtsextremistische Organisation
aufgebaut zu haben.
Das war der Ausgangspunkt einer 5-jährigen Arbeit und Suche nach der Wahrheit.
Im Lauf dieser Suche kam es auch zu Veröffentlichungen
des Spiegel, der über einen verdeckten Ermittler Axel Reichert sprach
– den sich unter Alkoholeinfluß selbst enttarnenden Ermittler.
Als Ergebnis dieser Untersuchungen stellte
die Fraktion Die Republikaner Strafanzeige.
Das Verfahren läuft noch. Aus diesem
Grund dürfen zum jetzigen Zeitpunkt bekanntgewordene Tatsachen noch
nicht veröffentlicht werden, um den Weitergang des Verfahrens nicht
zu gefährden.
Dieser verdeckte Ermittler, ein Beamter
des LKA, hielt vor Jugendlichen eine Rede mit der Überschrift
„Der Nationalsozialismus
in der heutigen Zeit“.
Der Inhalt der Rede erfüllt zahlreiche
Straftatbestände und ist der Beweis, daß rechtsextremistische
Propaganda zumindest in den Jahren 1992 bis 1996 faktisch vom Staat gefördert
wurde.
Am Inhalt der Rede hat nach eigenen
Aussagen des LKA Baden-Württemberg entscheidend mitgewirkt!
Die bisher zusammengetragenen und belegten
Fakten zeichnen ein Aktivitätenmuster der Verdeckten Ermittlers
Reichert, daß den Nachweis der Gründung
– nicht der Einschleusung in eine bestehende
Organisation – und der Festigung – nicht
der Beobachtung – dieser Organisation nahelegt,
wie auch die aktive Zusammenarbeit mit schon bestehenden Neonazi-Organisaitonen.
Dieses Verhalten bezeichnen die Republikaner
als Beschaffungsextremismus.
Stellv. Präsident Birzele:
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Antrag
der Fraktion Die Republikaner und
Stellungnahme
des Innenministeriums –
Organisierter
Beschaffungsextremismus in Baden-Württemberg –
Drucksache
12/3134
Abg. Dr. Schlierer REP:
Herr Präsident, meine sehr geehrte
Damen und Herren!
Zunächst bedaure ich, daß diese
Debatte eine so geringe Aufmerksamkeit erfährt.
Von den Grünen sind gerade zwei Abgeordnete,
von der SPD gerade drei da.
Ich glaube, das sollte man einmal festhalten.
Meine Damen und Herren, der gestrige Anschlag
auf eine Synagoge in Düsseldorf ist ebenso zu verurteilen wie das
Bombenattentat im Juli dieses Jahres in Düsseldorf, und zwar ungeachtet
dessen, wer die Täter in beiden Fällen waren, und ungeachtet
dessen, welche Motivation dahinter steckte.
Bei dieser Gelegenheit darf ich allerdings
auch darauf hinweisen, daß man vor Vorverurteilungen warnen sollte.
Ich erinnere mich noch sehr genau, was
Ende Juli dieses Jahres anläßlich dieses Bombenattentates in
Düsseldorf alles schon an Täterfeststellungen getroffen wurden,
obwohl wir ja inzwischen wissen, daß die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf
in ganz anderer Richtung ermittelt, als zunächst angenommen worden
war.
Neben der klaren Verurteilung des Handlungsunwertes
solcher Anschläge ist auch zu bedenken, welche katastrophale Wirkung
solche Vorgänge auf das Image Deutschlands im Ausland und im Land
haben.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und
Herren, sind die Vorgänge zu bewerten, die als organisierter Beschaffungsextremismus
bezeichnet werden.
In der Stellungnahme der Landesregierung
auf unseren Antrag, Drucksache 12/3134, versucht der Innenminister vom
Thema abzulenken.
Es geht nämlich nicht um eine
Diffamierung rechtsstaatlicher Interessenwahrnehmung von Polizei und Justiz
– wir haben zu keinem Zeitpunkt das Fehlverhalten
Einzelner der gesamten Polizei oder gar der Justiz zugerechnet –,
sondern für uns geht es um die Frage nach den politisch Verantwortlichen.
Dies ist deswegen ein Ablenkungsmanöver und auch eine Beschönigung, Herr Justizminister, weil Sie verschweigen, daß das hier konkret angesprochene Verhalten in einer rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe als verfassungsfeindliches Handeln gebrandmarkt wurde, und zwar sowohl hinsichtlich des Verdeckten Ermittlers als auch der Personen, die ihm den dienstlichen Auftrag hierzu erteilt hatten.
Ein Wort zu dem Begriff.
Als organisierten
Beschaffungsextremismus verstehen wir ein planmäßig zielgerichtetes
Vorgehen von in staatlichem Auftrag handelnden Personen oder Institutionen
mit der Absicht, durch Aufbau oder Verstärkung von Einstellungen oder
Neigungen extremistische Verhaltensweisen bei dazu bestimmten Personen,
Personengruppen oder Organisationen zu wecken, zu unterstützen oder
weiterzuentwickeln, um einen bisher im politischen Extremismus nicht vorhandenen
Brennpunkt zu organisieren oder einen bestehenden Brennpunkt zu verstärken
mit dem Ziel, staatliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr rechtlich zu
legitimieren oder anlaßbezogen politisch zu instrumentalisieren.
Erlauben Sie mir bei der Gelegenheit doch
einen Hinweis zum Thema Instrumentalisierung.
Wir verwahren
uns dagegen, den guten Ruf von Polizei und Justiz zur Rechtfertigung rechtswidriger
und verfassungsfeindlicher Aktivitäten im Verantwortungsbereich des
Innenministeriums zu mißbrauchen.
Meine Damen und Herren,
Fakt ist erstens, daß ein Verdeckter
Ermittler des Landeskriminalamts Baden-Württemberg nach Feststellung
der Staatsanwaltschaft Karlsruhe Ende Oktober und Ende Dezember 1994 unter
Verwendung eines Redemanuskripts, das unter Mitarbeit des Landeskriminalamts
verfaßt wurde, Schüler und Jugendliche
in nationalsozialistischer Weltanschauung regelrecht geschult und aufgehetzt
hat.
Fest steht zweitens, daß diese Rede selbst in der vom Landeskriminalamt vorgelegten Fassung – die wahrscheinlich nicht die authentische ist, wie wir inzwischen wissen – zahlreiche Straftatbestände verletzt, wobei inzwischen ja Erkenntnisse vorliegen, daß das richtige Manuskript noch sehr viel schwerwiegendere Hetzparolen enthält.
Ihnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, teile ich mit, daß Sie von unserer Fraktion diesen von der Staatsanwaltschaft zunächst einmal angenommenen Redetext in der vorgelegten Fassung schriftlich erhalten.
Richtig ist drittens, daß eine Unterweisung in neonationalsozialistischer Weltanschauung weder durch die Vorschriften über den Einsatz Verdeckter Ermittler abgedeckt ist noch für die Tätigkeit eines Verdeckten Ermittlers erforderlich ist, auch nicht zur Aufrechterhaltung einer Legende.
Entscheidend ist viertens, daß mit diesen Vorgängen, die hier ganz konkret angesprochen wurden, genau jene Saat in die Köpfe junger Menschen gelegt wurde, die dann zu den verurteilenswerten Exzessen aus antisemitischen Einstellungen heraus wie beispielsweise in Düsseldorf führen.
Deswegen das Fazit: Solange der Beschaffungsextremismus nicht angeprangert und unterbunden wird, sind die hierfür Verantwortlichen sowie die Wissenden und Wegsehenden, meine Damen und Herren, in der politischen Mithaftung für Antisemitismus und Neonaziumtriebe in unserem Land.
Stellv. Präsident Birzele:
Das Wort erteile ich Herrn Abg. Redling.
Abg. Redling SPD: ....
.... Schon durch den Betreff lassen die
Biedermänner erkennen, wen sie eigentlich treffen wollen ....
.... Ihre Zielrichtung ist ....
der Staat. ....
Deshalb ist das, ..... was der Fraktionsvorsitzender
der Republikaner eben gesagt hat, ein Angriff gegen unsere Demokratie .....
.... Sie wollen von Ihren rechtsextremistischen
Umtrieben ablenken ....
.... Herr Schlierer hat heute nachgewiesen,
daß Republikaner sehr wohl gute Beziehungen in diese Szene der Rechtsextremisten,
zu denen Sie sich ja selbst zählen, haben .....
Stellv. Präsident Birzele:
Das Wort erhält Herr Abg. Kluck.
Abg. Kluck FDP/DVP:
Mit diesem .... Antrag .... versucht die
Fraktion, die sich „Die Republikaner“ nennt .... Polizei und Verfassungsschutz
zu verunglimpfen ....
(Abg. Dr. Schlierer REP: Vom Verfassungsschutz ist gar nicht die Rede!
Sie haben nicht einmal die Drucksache gelesen!)
Stellv. Präsident Birzele:
Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Schlierer.
Abg. Dr. Schlierer REP:
.... es macht richtig Freude, eine solche
Debatte zu führen. Nachdem Sie mir alle so schön ins sprichwörtliche
Messer gelaufen sind, will ich Sie mir auch alle einzeln vornehmen.
Herr Rech, Sie sprechen von etwas,
was Sie nicht kennen.
Sie sprechen von einem Angriff auf Staatsorgane,
den wir nicht führen.
Wir prangern hier als Teil des Parlaments
eine Fehlverhalten der Exekutive an. Welches Verständnis von Parlamentarismus
haben Sie, wenn Sie das in irgendeiner Weise anprangern?
Herr Redling, von dem selten etwas
Vernünftiges kommt, versteigt sich noch zu der Bemerkung, wir hätten
gute Beziehungen, weil wir das wüßten .....
.... Wir bringen jetzt etwas, was die
Staatsanwaltschaft Karlsruhe nach jahrelangen Ermittlungen herausgebracht
hat, und nichts anderes. Wir hatten nur einen Anhaltspunkt. Wir haben in
der letzten Legislaturperiode Anfragen eingebracht, die aller Voraussicht
nach falsch beantwortet wurden.
Wir haben uns danach bemüht, einen
Vorfall aufzuklären, der uns betrifft, weil man gezielt versucht hat,
uns mit der Neonazi-Szene in Verbindung zu bringen.
Das ist unser gutes Recht. Wenn Sie es
uns absprechen wollen, demaskieren Sie sich.
Nichts anderes.
Wir haben keine guten Beziehungen.
Deswegen hat es auch so lange gedauert,
bis sich das Ganze in seinem vollen Umfang dargestellt hat.
Ich kann Ihnen nur eines sagen, Herr
Oelmayer.
Wir instrumentalisieren weder das Parlament,
noch sind wir rechtsstaatsfeindlich.
Aber wenn Sie die Aufklärung eines
solchen Vorganges nicht haben wollen, müssen Sie sich fragen, ob Sie
noch auf dem Boden des Rechtsstaats stehen.
Zu Ihnen, Herr Kluck. Wer wie Sie die Sprache der Nazi benutzt und von vaterlandslosen Gesellen spricht, richtet sich selbst. Sie sind der Brandstifter, nicht wir.
Nun noch etwas zur Bewertung.
Der eigentliche Skandal, meine Damen und
Herren, in diesem Zusammenhang ist, daß sich die Medien dafür
bis heute nicht interessieren, weil sonst wohl lieb gewonnene Vorurteile
geschädigt werden könnten, daß der ganze Skandal bisher
weitgehend verschwiegen und von Ihnen auch heute wieder heruntergespielt
wird und daß ausgerechnet jene über Maßnahmen gegen den
Rechtsextremismus philosophieren, die selbst für die Verbreitung von
neonationalsozialistischem Gedankengut verantwortlich sind.
Die Methode „Tarnen, Täuschen und
Vertuschen“ greift hier nicht.
Wir werden den Vorgang weiter verfolgen,
und wir werden dafür sorgen, meine Damen und Herren, daß die
Verantwortlichen beim Namen genannt werden.
Wir werden auch nicht nachlassen, den
Vorgang weiter zu verfolgen, wenn die Staatsanwaltschaft Karlsruhe auf
Antrag unserer Fraktion ein bis heute noch nicht abgeschlossenes Ermittlungsverfahren
zu Ende gebracht haben wird.
Wir halten auch fest, meine Damen und Herren, daß die Gutmenschen und die selbst ernannten Großinquisitoren gegen den Rechtsextremismus mit Steinen werfen, obwohl sie selbst bisweilen im Glashaus sitzen.
Zum Schluß, Herr Kollege Rech, möchte
ich noch auf eines hinweisen. Sie erhalten den Redetext von uns.
Ich sage Ihnen noch einmal:
Das ist noch nicht einmal der authentische
Text; das ist eine geschönte Fassung, die das Landeskriminalamt –
vom Verfassungsschutz war gar nicht die Rede – erarbeitet hat.
Die Rede ist nicht authentisch.
Die echte Rede wird derzeit im Rahmen
der Ermittlungen geprüft, und was in ihr steht, ist so ungeheuerlich,
daß niemand sagen kann: Wer das angreift, ist gegen unsere Staatsorgane.
Ich sage hier noch einmal:
Wir sind nicht
gegen die gesamte Polizei und am allerwenigsten gegen die Justiz. Das schon
allein deshalb nicht, weil die Justiz heute – Gott sei Dank! – bei der
strafrechtlichen Bewertung solcher Vorgänge wenigstens noch ein klares
Urteil fällt.
Deswegen will ich Ihnen zum Schluß
aus
einem Urteil des Landgerichts Karlsruhe zitieren, in
dem es heißt – dann wissen Sie auch, was zulässig ist und was
nicht –:
Ein
dem Schutz dieser Verfassung verpflichteter Beamter, der, gleichgültig,
aus welchen Beweggründen auch immer, andere in nationalsozialistischem
Geist schult, handelt verfassungsfeindlich.
Die
Personen, die ihm den dienstlichen Auftrag hierzu erteilt haben, nicht
minder.
Die Entscheidung ist angefochten worden.
Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat diese
Entscheidung in vollem Umfang bestätigt.
Das sollten Sie sich merken, wenn Sie
diesen Vorgang beurteilen.