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Vorwort von Wolf Krisch MdL
Das Thema Euro und damit das Thema Europäische Währungsunion
wurde von der Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg
in den letzten Jahren immer wieder kritisch diskutiert und in vielen parlamentarischen
Intiativen vorgetragen.
Ergänzend wurden rechtliche Fragen, Verfassungsprobleme, Themen
wie Verbraucherschutz, Lebensmittelrecht, Umweltschutz und andere im Zusammenhang
mit dem Vertrag von Maastricht ebenfalls von den Republikanern in die Arbeit
des Landtags eingebracht mit dem eindeutigen Ziel, eine Verbesserung des
Vertrages von Maastricht zu erreichen.
Schließlich führte die Fraktion im Dezember 1996 Gespräche
im britischen Unterhaus mit englischen Parlamentariern.
Die Haushaltsberatungen des Landtags von Baden-Württemberg im
Januar 1997, Aussagen französischer Politiker, wonach die europäische
Zentralbank Vorgaben der Politik zu gehorchen hat bzw. die ablehnenden
Äußerungen der britischen Regierung Major und der der derzeitigen
britischen Labour-Opposition zum Euro bestätigen unsere ablehnende
Haltung zum Vertrag von Maastricht und zur geplanten europäischen
Einheitswährung.
Als sachliches Ergebnis all dieser Arbeiten müssen wir sowohl den
Vertrag von Maastricht mindestens in der jetzigen Form, den Binnenmarkt
und die geplante Einheitswährung Euro aus sachlichen Gründen
ablehnen.
Die vorliegende Broschüre ist ein Teil unserer Vortragsreihe aus
dem Plenarssal, und ergänzt frühere Veröffentlichungen der
Fraktion. Den Bürgern sollen damit jene Kenntnisse und Informationen
vermittelt werden, die weder von den Medien noch von Regierungspolitikern
ausgesprochen werden, die aber für eine sachliche und vorurteilsfreie
Beurteilung des Nutzens und des Nachteiles einer euopäischen Einheitswährung
erforderlich sind.
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Die Europäische Währungsunion
Dr. Peter Linder
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1 |
Der Binnenmarkt - was hat er uns gebracht?
Will man die Versprechen und die Euphorie der Bonner Politiker im Hinblick
auf die von diesen ohne Rücksprache mit den Bürgern angestrebte
Europäische Währungsunion beurteilen, so empfiehlt sich ein Blick
zurück auf die Vorbereitung und Durchsetzung des Binnenmarktes seit
1993.
Und es ist zu fragen: Sind die Versprechungen der Europapolitiker in
der Vergangenheit aufgegangen? Haben sich die in Aussicht gestellten Zukunftserwartungen
nur als ,,leere Versprechungen" herausgestellt? Welche Folgerungen sind
hieraus für das wesentlich riskantere Projekt der Währungsunion
zu ziehen? |
1.1 |
Nach den Währungsreformen 1923 und 1948 ist gerade bei uns Deutschen
die Furcht vor Kaufkraftverlusten oder der Entwertung der Ersparnisse besonders
hoch. Dem hat die Deutsche Bundesbank immer besonders Rechnung getragen.
Zweifel sind angebracht, ob sich diese geldpolitische Tradition mit einem
einheitlichen Euro fortführen läßt. Alle Umfragen zeigen
immer wieder, daß in der Bevölkerung und zunehmend in Finanzkreisen
der Euro nicht so stabil eingeschätzt wird wie die DM. Daran ändern
auch die rituellen Hinweise auf die formale Unabhängigkeit der Europäischen
Zentralbank nichts.
Warum es Gründe gibt, an eine stabile und auf Wachstum und Beschäftigung
ausgerichtete europäische Währungspolitik zu glauben, sollen
die folgenden Ausführungen aufzeigen - nicht mit billiger Polemik,
sondern in Auseinandersetzung und mit abwägender Betrachtung.
Mit dem Inkrafttreten der ,,Einheitlichen Europäischen Akte" im
Jahre 1987 hat sich die EG ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, ein Ziel, welches
bis heute in seinen zentralen Punkten nicht erreicht wurde: die Verwirklichung
des europäischen Binnenmarktes.
Über die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen in einem gemeinsamen
Markt sollten neue Wachstums- und Handelsimpulse geschaffen werden, Europa
sollte das Vorbild an Wachstum, Wohlstand, Beschäftigung, Stabilität
und Lebenszufriedenheit werden.
Dieser bis heute nicht eingelöste Anspruch fordert zu Fragen heraus:
Wie stellt sich heute die Situation für den einzelnen Bürger
in Wirklichkeit dar?
Warum sind die Zusagen der Euro-Bürokraten nicht eingetroffen?
Wer ist der Gewinner, wer ist der Verlierer bei der Integration zum
größten und kaufkräftigsten Markt der Welt? |
1.2 |
Im Mittelpunkt des Binnenmarktes stehen die sogenannten vier Grundfreiheiten:
freier Verkehr von 1) Personen, 2) Waren, 3) Dienstleistungen und 4)
von Kapital.
Hierzu veröffentlichte die Europäische Kommission bereits
im Jahre 1985 ein Weißbuch mit dem Titel: ,,Vollendung des Binnenmarktes",
in welchem bis Ende 1992 alle materiellen, technischen und steuerlichen
Vorteile vorgeplant wurden.
Doch bis heute - 1997 - konnte immer noch kein einigermaßen homogener
Markt mit entsprechenden Wachstumsimpulsen entstehen, da nationale Wirtschafts-
und Finanzinteressen, aber auch sprachliche und kulturelle Unterschiede
als unüberwindbare Barrieren dagegenstanden.
So erweist sich das Argument eines stärkeren Wettbewerbs als durchaus
zweischneidig.
Zwar wird global auch europaweit ein stärkerer Wettbewerbsdruck
erreicht. Dieser verändert jedoch die Wirtschaftsstruktur hin zu immer
größer werdenden Produktions- und Handelseinheiten. |
1.3 |
Auf lokaler Ebene, in Deutschland auf Länderebene, präsentieren
sich diese Euro-Strukturen durchweg als wirtschaftliche Macht aufgrund
zahlreicher werdender Firmenzusammenschlüsse.
Dabei entsteht eine Monopolbildung sowohl auf der Anbieterseite gegenüber
dem Verbraucher, als auch auf der Nachfragerseite nach Vorprodukten gegenüber
den kleinen und mittleren Zuliefererfirmen.
Das Nachsehen bei dieser Euro-Globalisierung haben demnach das ortsgebundene
mittelständische Gewerbe, welches schwerpunktmäßig binnenwirtschaftlich
ausgerichtet ist und damit den Euro-Konzernen weitgehend ausgeliefert ist.
Eine europäische Kartellgesetzgebung, die diesem Trend entgegenwirken
könnte, existiert bislang nicht.
Ein weiterer kritischer Punkt ist in der Konzeption einer europäischen
Industriepolitik zu sehen. Industriepolitik nach Maastricht-Art heißt
nämlich vor allem eine Politik der Fördertöpfe und der öffentlichen
Auftragsvergabe.
Äußeres Zeichen sind die inzwischen zahlreichen Repräsentationsbüros
großer Konzerne in Brüssel, die offen ihre Lobby-Rolle zur Schau
tragen. Übermäßige Bürokratisierung, Sprachgrenzen
mit offenkundiger Benachteiligung der am meisten gesprochenen Sprache in
Europa und unterschiedliche Rechtssysteme blockieren jeden Ansatz zu einer
einheitlichen Wirtschaftspolitik.
Statt dessen wird auf eine subventionsorientierte Industriepolitik gesetzt
mit bürokratischem Dirigismus.
Wegen der fehlenden Nähe der euro-politischen Entscheidungsträger
zu nationalen oder gar regionalen Märkten verfügen diese nicht
über die notwendigen Informationen, um sachgerecht über Projekte
entscheiden zu können. Letztlich sind es Experten von Interessengruppen,
die ihre speziellen Interessen bei den Entscheidungsträgern der EG-Kommisssion
durchsetzen. |
1.4 |
Entscheidungen im öffentlichen Auftragswesen sowie in der
Projektförderung im Rahmen der Industriepolitik werden also durch
ein Gemisch aus informellen Beziehungen zwischen Politikern, Beamten und
Unternehmern bewirkt, die weniger nach europaweit gesamtwirtschaftlichen
Wohlfahrtsinteressen als unter dem Gesichtspunkt von Mitnahmeeffekten nach
Einzelinteressen einflußreicher Gruppen entscheiden.
Für jedermann sichtbar ist die fehlende Verwirklichung des Europäischen
Binnenmarktes im Bereich der Harmonisierung indirekter Steuern, ganz besonders
die fehlende sachgerechte Lösung der Mehrwertsteuerproblematik.
Doch ohne Beseitigung der Steuergrenzen kann der Europäische
Binnenmarkt nicht vollendet werden, ist praktisch zu einem ganz
wesentlichen Teil überhaupt nicht existent.
Da sich die Regierungen nicht auf eine Angleichung der Mehrwertsteuersätze
verständigen konnten, war auch der sachgemäße und notwendige
Umstieg von der jetzigen Bestimmungslandsbesteuerung auf das Ursprungslandprinzip
nicht zu erwarten.
Bestimmungslandbesteuerung bedeutet: die Mehrwertsteuer kommt dem Land
zugute, das Waren verkauft, ohne daß dieses Land sonstige Leistungen
erbringen muß.
Ursprungslandprinzip bedeutet: wer eine Leistung erbringt, wer Waren
herstellt und dafür zum Beispiel Straßen baut oder Abwasserprobleme
löst, erhält die Mehrwertsteuer.
So reicht die Mehrwertsteuer in den EU-Ländern noch heute von 15%
bis 25%. Daneben gibt es Mehrwertsteuersätze für spezielle Güter
zwischen Null und einem erhöhten Satz von 38%.
Würde das Ursprungslandsprinzip ohne eine sogenannte Clearing-Stelle
oder Ausgleichstelle, welche die Auswirkungen des Wegfalls der Steuergrenzen
wieder rückgängig macht, eingeführt, dann würden sich
steuerliche Mehreinnahmen für Länder mit Ausfuhrüberschuß
ergeben, und steuerliche Mindereinnahmen für Länder mit Einfuhrüberschuß. |
1.5 |
Die großen Unterschiede bei den Mehrwertsteuersätzen würden
weiterhin dazu führen, daß Länder mit niedrigen Sätzen
gegenüber den Ländern mit höheren Sätzen erhebliche
Wettbewerbsvorteile zu verzeichnen hätten.
Unter dem Strich würde also der Übergang auf das binnenmarktgemäße
Ursprungslandsprinzip im wesentlichen Vorteile für Deutschland bringen.
Die fehlende Einigung auf diesem zentralen, wichtigen Gebiet ist ein
Indiz, daß in der Wirklichkeit tiefe Differenzen innerhalb der EU-Staaten
bestehen, wenn eigene Interessen betroffen sind. |
1.6 |
Bei all diesen ungelösten Problemen nimmt es nicht Wunder, daß
Erwartungen, die mit dem Binnenmarkt verknüpft wurden, nicht eingetreten
sind. Produktivitätshindernde und kostentreibende Schranken konnten
nur auf dem Papier, nicht jedoch in der Realität abgebaut werden.
Wachstumseffekte aufgrund von Marktöffnung sind bisher nicht festzustellen.
Mit einer von der EG-Kommission in Auftrag gegebenen Studie zum Binnenmarkt,
dem berühmten Cecchini-Bericht, wurde demgegenüber eine Erwartungshaltung
erzeugt, die realistischerweise nicht eingelöst werden konnte. Danach
wurden die Vorteile des Binnenmarktes auf bis zu 255 Milliarden ECU geschätzt.
Das reale Bruttosozialprodukt wurde auf bis zu 7 Prozent höher liegend
geschätzt als ohne die Schaffung des Binnenmarktes.
Des weiteren wurden dem Binnenmarkt Effekte zugeschrieben, die zu einer
Dämpfung der Inflation um 6 Prozent und zu einer Entlastung der öffentlichen
Haushalte in Höhe von 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts führen
sollten. |
1.7 |
Betrachtet man die heutige Situation, 1997, also vier Jahre nach Einführung
des Binnenmarktes, so stellt sich die Lage recht nüchtern dar.
Statt Wachstum haben wir eine anhaltende und nachhaltige Wachstums-
und Produktivitätsschwäche in den Volkswirtschaften der Gemeinschaft,
einen Negativrekord auf dem Gebiet der Arbeitslosigkeit und übermäßig
verschuldete Staatshaushalte.
Alle Hoffnungen, die mit dem Binnenmarkt verknüpft waren, wurden
ad absurdum geführt - haben sich als völlig falsch erwiesen.
Entwicklungsunterschiede und optimale Währungsräume
Europa ist nicht so einheitlich, wie dies immer im Sinne der Europäischen
Union dargestellt wird.
Neben vielen Gemeinsamkeiten in kultureller Sicht, die für die
Identität Europas gegenüber anderen Kulturkreisen stehen, bestehen
gerade im ökonomischen, sozialen und finanzwirtschaftlichen Bereich
erhebliche Unterschiede, mit einem deutlichen Nord-Süd-Gefälle.
Die unterschiedlichen Lebensverhältnisse in den EU-Ländern
zeigen sich im demographischen, im sozialstrukturellen und im ökonomischne
Bereich. (hierzu Tabellen) |
2 |
Das ungleiche Gebilde der heutigen Europäischen Union wird im
Wachstum dieser Gemeinschaft deutlich.
Im Jahre 1957 bildeten sich aus den damaligen Montanunion-Ländern
die sechs EWG-Kernländer. Eine erste Norderweiterung erfolgte im Jahre
1973 durch die Beitritte von Großbritannien, Irland und Dänemark.
Dem folgte die Süderweiterung um Griechenland (1981) sowie Spanien
und Portugal (1986).
Die zweite Norderweiterung erfolgte schließlich 1995 mit den
Ländern Österreich, Schweden und Finnland zur heutigen 15er-Gemeinschaft.
Nach der Jahrhundertwende wird in zeitlich versetzten Stufen die
Erweiterung der Union nach Osteuropa erwartet, die ein weiteres Moment
der Disparität, also weitere Unterschiede einbringt. |
2.1 |
Betrachtet man nun die Länderketten von Portugal oder Griechenland
über Mitteleuropa zu den britischen Inseln oder nach Skandinavien,
so weisen die Länder und Regionen recht unterschiedliche Identifikationen,
Traditionen, Staatsstrukturen, Lebensweisen und eben auch wirtschaftliche
und soziale Entwicklungsstände auf. All das läßt nicht
auf einen einheitlichen optimalen Währungsraum schließen.
Die Bedingungen eines optimalen Währungsraums müssen jedoch
gegeben sein, wenn eine Währungsintegration zum Erfolg führen
soll. |
2.2 |
Was soll man nun unter einem optimalen Währungsraum verstehen?
Welche Eigenschaften besitzt ein solcher? |
2.3 |
Da in einem gemeinsamen Währungsraum die wirtschaftspolitische
Autonomie, die Selbstständigkeit der Volkswirtschaften weitgehend
verlorengeht (während der Beratung des Haushaltes 1997 im Landtag
sagte ein Regierungssprecher Zitat „Es gibt keine deutsche Volkswirtschaft
mehr") und insbesondere Wechselkurse und Zinsen nicht mehr als Instrumente
im nationalen Rahmen zur Verfügung stehen, zeichnet sich ein optimaler
Währungsraum über die bekannten monetären Konvergenzkriterien
hinaus vor allem durch folgende Bedingungen aus:
-
die beteiligten Volkswirtschaften müssen realwirtschaftlich
integriert sein, also zusammenarbeiten,
-
Vorstellungen, Präferenzen und Prioritäten hinsichtlich wirtschaftspolitischer
Ziele und des Einsatzes wirtschaftspolitischer Instrumente müssen
einheitlich sein,
-
Steuersysteme und Sozialleistungssysteme müssen angeglichen sein,
-
eine möglichst gleichmäßige Verteilung der sektoralen Produktionsstruktur
in den Ländern des Währungsraums muß gegeben sein,
-
ein auf Akzeptanz beruhendes, System von fiskalischen Transfers mit regionalem
Finanzausgleichsmechanismus muß vorhanden sein
Betrachtet man diese fünf Grundvoraussetzungen, so ist festzustellen,
daß keine dieser Bedingungen auch nur in annähernder Weise für
die gegenwärtigen 15 EU-Mitgliedsländer erbracht ist.
Im Jahre 1996 erfüllte keines der vier Südländer auch
nur eines der entscheidenden monetären Konvergenzkriterien, die im
Vergleich zu den obigen fünf Bedingungen als „weich" gelten müssen.
Allenfalls unter Ausschluß der Südländer könnten
danach die mittel- und nordeuropäischen Volkswirtschaften die obigen
Realbedingungen bis zu einem gewissen Grade erfüllen.
Hier gibt es aber insofern Schwierigkeiten, als dabei Länder anzutreffen
sind, die einer Währungsunion aus prinzipiellen Gründer skeptisch
bis ablehnend gegenüber stehen. Hierzu zählen Großbritannien,
Dänemark und in Abstufungen die Neulinge Schweden und Finnland.
Welche Probleme unter solchen Vorzeichen bei einer Währungsunion
auftreten, sei an der genaueren Betrachtung der obigen Bedingungen aufgezeigt. |
2.4 |
Der realwirtschaftliche Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft läßt
sich durch eine Anzahl ökonomischer Indikatoren angeben, die sich
auf die zentrale Leistungsgröße der Pro-Kopf-Einkommen zurückführen
lassen.
Bereits hier zeigen sich gravierende Unterschiede in der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit innerhalb der EU-Länder. Griechenland erreicht
nicht einmal die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner des
EU-Durchschnitts und liegt am unteren Ende. Irland, Spanien und Portugal
weisen stark unterdurchschnittliche Werte auf.
In stärkerem Maße spiegeln sich die Disparitäten - die
Unterschiede - in den Bruttoverdiensten der Arbeiter wider, die in Deutschland
und Dänemark mehr als dreimal so hoch sind, wie in Portugal.
Die durchschnittlichen Arbeitskosten je geleisteter Arbeitsstunde steigern
das Entwicklungsgefälle noch, da diese in Deutschland sechsmal und
in Frankreich fünfmal so hoch sind wie in Portugal.
Aber selbst unter den mittel- und nordeuropäischen Ländern
der EU ergeben sich erhebliche Unterschiede, die für einen einheitlichen
Währungsraum sehr problematisch sind. Ähnlich wie bei der gesamtwirtschaftlichen
Leistung driften die Länder der EU auch im Bereich der Arbeitslosigkeit
und der Ausgestaltung der sozialen Schutzsysteme auseinander. |
2.5 |
Was Vorstellungen, Präferenzen und Prioritäten in der Wirtschaftspolitik
angeht, so bestehen nach 40 Jahren europäischer Integrationsbemühungen
erstaunliche Differenzen.
In dem rasch zunehmenden Spannungsfeld zwischen Geldwertstabilität
einerseits und Massenarbeitslosigkeit andererseits werden diese Differenzen
zumindest zwischen einigen Ländern der EU eher zunehmen als abnehmen.
Am deutlichsten und für jedermann sichtbar pocht Großbritannien
auf eine eigenständige, einzig an nationalen Interessen ausgerichtete
Wirtschaftspolitik.
Ein milder abgestuftes Verhalten ist von den drei skandinavischen Staaten
zu vernehmen.
Die betont auf Inflationsvermeidung angelegte Wirtschaftspolitik Deutschlands
stellt genaugenommen einen Spezialfall im Rahmen der EU dar.
Frankreich zielt traditionell stärker auf eine mehr wachstums-
und beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik.
Nur mit Mühe ließen sich in der Vergangenheit diese völlig
verschiedenen politischen Zielsetzungen und Mitteleinsätze verbergen.
Schließlich liegt es in der Besonderheit der Lage der Südländer,
ihren wirtschaftspolitischen Schwerpunkt eindeutig auf Wachstum zu setzen,
wobei der Geldwertstabilität gleichsam ein residualer, ein relativ
nebensächlicher Charakter zukommt. Wir können aber schon heute
davon ausgehen, daß nach der Einführung der einheitlichen Währung
die Differenzen über die Grundlinien der Wirtschaftspolitik mit aller
Macht aufbrechen. |
2.6 |
Entsprechend der ökonomischen Lage zeichnen sich bis heute grundsätzliche
Unterschiede in den Steuer- und Sozialleistungssystemen zwischen den EU-Ländern
aus.
Das führt zu gänzlich unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen
in den einzelnen Ländern. So sind die in den Staatsquoten sich niederschlagenden
staatlichen Aktivitäten und Eingriffe in das ökonomische Geschehen
unterschiedlich hoch.
Das läßt auf unterschiedliche ordnungspolitische Vorstellungen
schließen. Zum anderen lassen sich gravierende Gefälle im Bereich
der sozialen Schutzsysteme ausmachen. Diese Differenzen sind nicht nur
ein Nord-Süd-Problem.
Das wird schon darin deutlich wird, daß im Zusammenhang mit dem
Maastricht-Vertrag Großbritannien das zum Vertrag gehörende
Sozialprotokoll nicht unterzeichnet hat. (Stand Frühjahr 1997)
Das kann auch nicht verwundern, laufen doch die nationalen Bezugssysteme
was soziale Tatbestände, Gewährleistungsvoraussetzungen und Finanzierungssystem
angeht, zum Teil diametral auseinander.
Da ein gesamteuropäischer Ordnungsrahmen im Steuer- und Sozialsystem
nicht in Sicht ist, existiert auch kein Gleichgewicht auf dem so wichtigen
Gebiet des Wettbewerbs oder beim sozialen Ausgleich. |
2.7 |
Auch von einer annähernden gleichgewichtigen Verteilung der Produktions-
und Branchenstrukturen im EU-Europa kann nicht gesprochen werden. Bereits
auf der Ebene der Wirtschaftsbereiche zeigen sich bedeutende Strukturunterschiede.
Während in Deutschland immerhin noch 41 Prozent der Erwerbstätigen
im produzierenden Gewerbe tätig sind,
sind das in Frankreich 29,5 Prozent,
in Großbritannien 27,7 Prozent und
in den Niederlanden 25,5 Prozent.
Das heißt, diese Staaten haben im Dienstleistungsbereich einen
höheren Entstehungsanteil des jeweiligen Sozialprodukts. Diese
Strukturdifferenzen, dieser Unterschied setzt sich fort, wenn man die fachlich
tiefer gegliederten Wirtschaftszweige betrachtet.
Allein bei den drei zentralen Wirtschaftszweigen: Maschinenbau, Elektrotechnik
und Fahrzeugbau zeigen sich zum Teil gewaltige Unterschiede auch zwischen
den mittel- und nordeuropäischen EU-Ländern.
Was aber bei verschiedenen Währungen und mit flexiblen Wechselkurse
unter außenwirtschaftlichen Gesichtspunkten als vergleichbarer Kostenvorteil
der internationalen Arbeitsteilung erweist, wird in einer Währungsunion
die Quelle und der Ausgangspunkt ständiger Krisen, und kann zu schweren
ökonomischen und politischen Erschütterungen führen.
Nur bei einheitlichem oder vergleichbarem Entwicklungsstand und bei
annähernd gleicher Wirtschaftsstruktur der beteiligten Volkswirtschaften
werden sich nachfragebedingte und angebotsbedingte Störungen der Wirtschaftstätigkeit
von außen, sogenannte Schocks, auch möglichst gleichmäßig
auf den gesamten einheitlichen Währungsraum verteilen. |
2.8 |
Wenn dagegen die sektorale Produktionsstruktur - wie dies in der EU
der Fall ist - zu stark auseinanderfällt, dann verteilen sich die
Folgen von sektorspezifischen Krisen auch ungleich auf die einzelnen Länder.
Und weil dann Wechselkursanpassungen auf nationaler Ebene nicht mehr
zur Verfügung stehen, wird der Ruf nach Subventionen für bestimmte
Wirtschaftszweige und Branchen unüberhörbar, der schließlich
in einen Wettlauf nach mehr Geld unter den EU-Staaten münden wird |
2.9 |
Ob dann die Brüsseler Subventions-Bürokratie unter ordnungspolitischen
Aspekten zu sachgerechten Entscheidungen kommt, muß doch sehr bezweifelt
werden.
Vielmehr ist zu befürchten, daß ein gigantischer Verteilungskampf
um Subventionen und Fördertöpfe auf europäischer Ebene einsetzt,
der schließlich in eine neue Dimension von Dirigismus und Protektionismus
führt.
Das ist dann der endgültige Abschied von der Ehrhardtschen Marktwirtschaft.
Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Schaffung eines Währungsraums
ist die Frage, wie nationale Krisen aufgefangen werden sollen.
Dabei geht es darum, den bislang in einer freien Weltwirtschaft notwendigen
Wechselkursmechanismus durch einen entsprechenden, möglichst genauso
effizienten „Binnenausgleichsmechanismus" zu ersetzen. |
2.10 |
Ein solcher Binnenausgleichsmechanismus kann - soweit die nationalen
Entwicklungsgefälle nicht durch Arbeitskräfte- und Kapitalwanderungen
ausgeglichen werden - nur in einem Finanzausgleichssystem bestehen, in
dem nach Möglichkeit automatische Stabilisatoren wirksam werden.
Zusätzlich zur verstärkten Einwanderung Arbeitssuchender
nach Deutschland und zusätzlich zum Abfluß von Kapital ins Ausland
werden wir einen „Solidaritätszuschlag" für andere europäische
Staaten bezahlen müssen.
Zwar läßt sich einwenden, daß die EU gegenwärtig
über kein ausdrücklich vereinbartes System von Finanzausgleichsregelungen
- vergleichbar dem deutschen Länderfinanzausgleich - verfügt.
Betrachtet man aber das Einnahmen- und Ausgabenverhalten des EU-Haushalts
unter Finanzausgleichsaspekten, so wird deutlich, daß ein Finanzausgleich
in impliziter, in versteckter Form sehr wohl besteht.
So werden die Mitgliedstaaten mit ihren Zahlungen an die EU unterschiedlich
belastet - an der Spitze mit weitem Abstand Deutschland.
Und auch über die Steuerung der Rückflüsse von Geldern
an die Mitgliedstaaten wird sehr wohl ein versteckter Finanzausgleich schon
jetzt vorgenommen.
Gleichwohl gehen Wirtschaftsexperten davon aus, daß die gegenwärtige
Größenordnung des zentralen EU-Haushalts, einschließlich
der Strukturfonds, viel zu gering ist, um bei einer einheitlichen Währung
genügend ausgleichend zu wirken.
Sogar nach der Umsetzung des „Delors-Pakets" 1993 beträgt das EU-Haushaltsvolumen
nur etwa 1,3% des Bruttoinlandsprodukts der EU.
Zum Vergleich beträgt der Anteil des zentralen Haushaltsvolumens
in den stark föderativ ausgerichteten USA immerhin 30% des Bruttoinlandsprodukts.
Damit ist die USA in der Lage, über automatische Stabilisierungseffekte
des US-Haushalts fast 40% der regionalen konjunkturellen Schwankungen in
den einzelnen US-Bundesstaaten auszugleichen. |
2.11 |
Damit ist aber auch eindeutig klar, daß es nach der Einführung
des EURO nicht beim jetzigen Haushalts- und Finanzsystem bleiben wird,
sondern daß es eine gewaltige Ausweitung des Einnahmevolumens des
EU-Haushalts geben muß, will man die nationalen Entwicklungs- und
Strukturunterschiede auch nur im Ansatz ausgleichen.
In der Tat sind schon heute die Stimmen hörbar, die in einem ausdrücklichen
Finanzausgleich, in einem Solidaritätszuschlag für Europa mit
entsprechendem Verteilungsvolumen ein Gebot finanzwirtschaftlicher Realität
sehen und darüber hinaus auch die Voraussetzung für eine erfolgreiche
Konvergenzpolitik nach Einführung der Währungsunion.
Dies muß auch vor dem Hintergrund gesehen werden, daß Deutschland
heute etwa viermal soviel Nettoleistungen zum EU-Haushalt erbringt wie
Frankreich und Großbritannien oder zweieinhalbmal soviel wie alle
Nettozahler zusammen.
Im Zeitraum 1991 bis 1999 (Ablauf der mittelfristigen Finanzplanung)
wird Deutschland nach Berechnungen des Europäischen Rechnungshofs
wegen eines unsachgemäßen und damit ungerechten Verteilungsschlüssels
rund 150 Milliarden DM Überzahlungen geleistet haben. |
2.12 |
Anpassungen über Finanzausgleichssysteme sind aber nicht der einzige
Mechanismus zum Ausgleich regionaler und nationaler ökonomischer Krisen.
Ausgleichsmechanismen erfolgen auch und wie schon erwähnt, über
den Arbeitsmarkt und zwar sowohl über Arbeitskräftewanderungen
als auch über eine vorhandene Flexibilität der Löhne.
Untersuchungen aus den USA zeigen an, was ein erzwungener einheitlicher
Währungsraum in Europa an Arbeitskräftewanderungen auslösen
wird.
In den USA läßt sich feststellen, daß die Wirkungen
von regionalen Krisen und deren Beschäftigungsschocks im wesentlichen
durch Wanderungen innerhalb der Bundesländer der USA und erst danach
in zweiter Linie durch Lohnanpassungen ausgeglichen werden. |
2.13 |
Ein Arbeitsmarktausgleich bei nationalen Beschäftigungseinbrüchen
würde auch in der geplanten Währungsunion über Wanderungen
und hier über Zuwanderungen nach Deutschland erfolgen.
Mit welchen Zahlen hierbei zu rechnen ist, läßt sich wiederum
an vergleichenden US-Studien belegen. So betrugen im Zeitraum 1980 bis
1985 die durchschnittlichen regionalen Nettowanderungen zwischen 64 Regionen
in der EU 0,2% der Gesamtbevölkerung.
In den USA mit einem einheitlichem Währungsraum und damit niedrigen
Mobilitätsschranken belief sich dieser Wert im gleichen Zeitraum zwischen
den 50 Bundesstaaten auf 0,7%.
Damit läßt sich zuverlässig vorhersagen, daß
sich die Wanderungspotentiale innerhalb der EU-Staaten als Folge der Währungsunion
verdreifachen werden.
Das führt zu einer schlimmen Verschärfung der Zuwanderungsproblematik
in Deutschland.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat 1994 in einer Studie richtigerweise
darauf hingewiesen, daß nach Fortfall der Wechselkursflexibilität
die Flexibilität der nationalen Lohnniveaus das wichtigste Mittel
zur Beeinflussung der Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist.
In einer Währungsunion wird also der Zusammenhang zwischen Nominallohn
und Beschäftigungsniveau noch stärker ausgeprägt sein, als
dieser bisher schon ist. |
2.14 |
Die Einführung einer gemeinsamen Euro-Währung bedeutet, daß
die europaweiten Einkommensdifferenzen zwischen Sizilien und Hamburg oder
zwischen Neapel und Amsterdam unmittelbar sichtbar werden. Der Geldschleier
der nationalen Währungen fällt ja weg. Dies wird - zumindest
auf lange Sicht - zu einer Angleichung der Gewerkschaftsstrukturen
und -strategien in den Mitgliedsländern führen, mit einer europäisierten
Tarifpolitik am Ende.
Damit verbunden wären erhebliche Anpassungsnachteile für die
abhängig Beschäftigten in den sogenannten Hochlohnländern
mit noch hoher, aber sich zunehmend dem EU-Durchschnitt nach unten anpassender
gesamtwirtschaftlicher Produktivität.
Zum anderen läßt sich ein Modell der Dezentralisierung des
Lohnfindungssystems vorstellen, das eine flexible Anpassung der Löhne
auf der Basis von Mindestarifabschlüssen, Empfehlungen oder Bandbreiten
bis hin zur einzelbetrieblichen Ebene unter weitgehender Ausschaltung gewerkschaftlicher
Macht vorsieht. |
2.15 |
Gerade in betont flexiblen Lohnfindungssystemen aber würde sich
EU-weit die Tendenz zur Angleichung der Lohnniveaus herausbilden, wobei
insbesondere die Beschäftigten in Deutschland große Einkommenseinbußen
hinzunehmen hätten.
Dazu kommt: je flexibler das Tarifsystem sich entwickelt, um so stärker
wird sich die Zuwanderung von Arbeitskräften lohndrückend in
Deutschland auswirken.
Kein Wunder, daß selbst Autoren des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes künftig einen grundlegenden
Zwiespalt zwischen Mitgliederinteressen und Systemorientierung hinsichtlich
der Währungsunion sehen.
Die Bedeutung dieser Aussage kann nicht hoch genug eingestuft werden.
Wenn es eine einheitliche Währung in Europa gibt, wird dies zu
Lasten der Lohn- und Gehaltsempfänger in Deutschland gehen.
Und auch die Gewerkschaften werden ein Opfer der Einheitswährung.
Der Einfluß der Gewerkschaften wird also sinken.
Wo bleibt hier der Selbsterhaltungstrieb der Gewerkschaften, wo bleibt
deren Einschwenken auf die den Gewerkschaften dienliche Linie der Republikaner? |
3 |
Automatismus beim Zustandekommen der Währungsunion
Es ist naheliegend, daß sich die ungünstigen Anfangsbedingungen
zur Schaffung einer Währungsunion auch im Verfahren des Zustandekommens
der Währungsunion widerspiegeln. Der Europäische Rat hat auf
seinem Treffen in Madrid vereinbart, die Teilnehmerländer an der dritten
Stufe zur Währungsunion im Frühjahr 1998 auf Basis der wirtschaftlichen
Daten des Jahres 1997 auszuwählen.
Dabei wird immer wieder von Regierungsseite behauptet - so auch in der
uns vorliegenden Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg
auf einen Antrag unserer Fraktion, daß ein Automatismus für
die Einführung des EURO nicht existiere.
Hierzu wird in der Regel das Bundesverfassungsgericht und der sogenannte
Parlamentsvorbehalt bemüht.
Die Dinge liegen jedoch nicht so einfach und klar zutage.
So findet sich im Vertrag von Maastricht folgender Satz:
,,Ist bis Ende 1997 der Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe
nicht festgelegt worden, so beginnt die dritte Stufe am 1. Januar 1999."
Mit dem Artikel 109j Abs.4 tritt aber eine Automatik in Kraft, nach
der die dritte Stufe zum 1.1.1999 in jedem Fall beginnen soll.
Damit hat sich die Bundesregierung überflüssigerweise in eine
Zwickmühle begeben, und befindet sich in einem unauflöslichen
Widerspruch zwischen dem Erfüllungsgrad der Konvergenzkriterien einerseits
und dem Eintrittszwang in die dritte Stufe andererseits. |
3.1 |
Zwar ist das Bundesverfassungsgericht der Auffassung, daß sich
die Bundesrepublik mit der Ratifikation des EG-Vertrages nicht einem -
Zitat - ,,unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht steuerbaren
Automatismus" unterwirft und begründet dies mit dem schon genannten
angeblichen Parlamentsvorbehalt.
Doch wie steht es um diesen Parlamentsvorbehalt wirklich?
Der Parlamentsvorbehalt umfaßt bei genauerer Betrachtung nur
die Überprüfung des Übergangsprozesses zur dritten Stufe
der Währungsunion. Ihm kommt nur das Recht einer Bewertung über
den Reifegrad der Währungsunion, also über die Einhaltung der
Konvergenzkriterien durch die Vertragsstaaten zu. |
3.2 |
Keinesfalls wird das im Unionsvertrag vorgesehene Verfahren zur Realisierung
der Währungsunion in ihrer dritten Stufe durch den Parlamentsvorbehalt
im geringsten berührt. Insbesondere kann im Parlamentsvorbehalt kein
,,Zweitratifikationsrecht" oder analog zu Großbritannien und Dänemark
ein ,,Opting Out" - ein Austrittsrecht - gesehen werden, denn vom deutschen
Parlamentsvorbehalt ist im EG-Vertrag weit und breit nichts zu lesen.
Daher ist der sogenannte Parlamentsvorbehalt völlig ungeeignet,
den Weg in die Währungsunion hinreichend zu kontrollieren. Diesen
Sachverhalt bringt auch das ,,Protokoll über den Übergang zur
dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion" zum Ausdruck, wenn
dort unmißverständlich von der ,,Unumkehrbarkeit" des Übergangs
gesprochen wird. |
3.3 |
Schließlich sei noch aus berufenstem Munde der Bundeskanzler
zitiert, nach dem der Prozeß zur Währungsunion ,,irreversibel"
vorgeschrieben ist.
Aus all dem ergibt sich, daß der Parlamentsvorbehalt - bei allen
gegenteiligen Beteuerungen - nicht in der Lage ist einen Automatismus beim
Übergang zur Währungsunion zu blockieren.
Mehr noch: da die Entscheidung, ob zur Währungsunion übergegangen
wird, mit qualifizierter Mehrheit erfolgt, kann die Bundesregierung, selbst
wenn sie sich an einen verneinenden Beschluß des Bundestages oder
Bundesrates halten würde, im Rat überstimmt und von den anderen
EU-Staaten in die Währungsunion hineingezwungen werden.
So sehen die Verträge aus, die unsere Regierung geschlossen hat,
denen alle Bundestagsparteien, denen außer den Republikanern alle
anderen Fraktionen im Landtag und zwar ohne jeden Vorbehalt zugestimmt
haben! |
4 |
Die Rolle der Konvergenzkriterien
Besondere Bedeutung kommt der Bewertung des Reifegrades der Währungsunion
zu, der an den Konvergenzkriterien gemessen wird. Immer wieder werden diese
Konvergenzkriterien herangezogen, um den Stabilitätscharakter der
Währungsunion zu untermauern.
Aber auch hier muß festgehalten werden: die Konvergenzkriterien
halten nicht, was die Politiker uns versprechen.
Insbesondere muß dem Eindruck entgegengewirkt werden, die Kriterien
seien gleichsam eine Garantie für einen stabilitätsorientierten
Beginn der Währungsunion. Tatsächlich ergeben sich bei genauerem
Betrachten beträchtliche Beurteilungsspielräume und damit eine
große Unsicherheit, welche Voraussetzungen denn tatsächlich
erfüllt sein müssen und welche Länder letztlich in die Währungsunion
eintreten können |
4.1 |
Grundlage für die Beurteilung der Erfüllung der Konvergenzkriterien
sind nämlich nur die Länderberichte der Kommission und des Europäischen
Währungsinstituts.
Nun sind in den Berichten neben den vier Konvergenzkriterien noch weitere
Indikatoren zu berücksichtigen. Das sind: die Entwicklung des ECU,
die Integration der Märkte, Stand und Entwicklung der Leistungsbilanzen
der Länder sowie die Entwicklung der Lohnstückkosten und anderer
Preisindizes.
Welche Rolle diese Indikatoren im Verhältnis zu den vier ,,harten"
Kriterien spielen, bleibt dabei offen.
Auch ist im Maastrichter Vertrag immer wieder von einer Bewertung der
Konvergenzkriterien die Rede, wobei ,,Bewertungsverfahren" im Gegensatz
zu ,,Numerus-clausus-Verfahren", also zu exakt definierten, immer einen
subjektiven Entscheidungsspielraum eröffnen. |
4.2 |
Bewertungsverfahren sind immer wie Gummi - man kann sie dahin dehnen,
wo man sie haben will. Auf eine punktgenaue Erfüllung der Maastricht-Kriterien
wird in den meisten Fällen bewußt verzichtet.
Wie dehnbar die Kriterien sind, zeigt Artikel 104c Abs.2, wonach ein
Budgetdefizit dann nicht als übermäßig anzusehen ist, wenn
es nur ,,ausnahmsweise und vorübergehend" größer als 3
vH des Bruttoinlandsprodukts ist oder ,,erheblich und laufend zurückgegangen
ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwertes erreicht".
Auch kann ein Schuldenstand hingenommen werden, der „größer
als 60" vH des Bruttosozialprodukts ist, wenn er ,,hinreichend rückläufig
ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert".
Was ausnahmsweise oder vorübergehend oder erheblich bedeutet -
das ist nirgends definiert, das kann alles sein.
Schon dem Zustandekommen der Berichte kommt besondere Bedeutung zu,
da sie ein subjektives Moment in den Verfahrensgang einbringen.
Dies gilt sowohl für die Bewertung der Indikatoren und Kriterien,
aber auch für statistische Probleme. Das unverdächtige Deutsche
Institut für Wirtschaftsforschung stellt dazu fest:
,,Einige der eher zur Verletzung der Konvergenzkriterien neigenden
Mitgliedstaaten sehen in einer WWU-Teilnahme von Anfang an für sich
sowohl einen ökonomischen Vorteil als auch eine Prestigesache. |
4.3 |
Sie werden deshalb zum einen alles daransetzen, daß die verbindliche
Interpretation der Kriterien so weich wie möglich ausfällt, und
sie werden zum anderen versuchen, die anstehende Definitionsentscheidung
so zu beeinflussen, daß der statistische Ausweis ihre eigene Lage
schönt."
Es kann also nicht deutlich genug betont werden:
die Konvergenzkriterien liefern nur Anhaltspunkte für die Auswahl
der Teilnehmerländer. Sie sind keine Beitrittsbedingungen und haben
rechtlich keinen bindenden Charakter!
Es ist daher zu erwarten, daß die Auswahlentscheidung mit qualifizierter
Mehrheit der Staats- und Regierungschef rein politischer Natur sein
wird.
Der ehemalige EG-Kommissar und heutiges Direktoriumsmiglied der Deutschen
Bundesbank, Peter Schmidhuber brachte diesen Sachverhalt auf den Punkt,
als er ausführte: ,,Wenn die 15 Mitgliedstaaten mit qualifizierter
Mehrheit darüber abstimmen, wer an der dritten Stufe teilnimmt, wird
es wohl nicht ohne Kompromisse, bilaterale Deals und taktische Allianzen
abgehen."
Damit haben sich unsere Warnungen als berechtigt herausgestellt. |
4.5 |
Schon jetzt wird weithin befürchtet, daß das Auswahlverfahren
im Rahmen der qualifizierten Mehrheit zu einem machttaktischen Spiel wird.
Für die qualifizierte Mehrheit benötigt ein Land nach Artikel
148 EG-Vertrag 62 von 87 Stimmen. |
4.6 |
Die Sperrminorität beträgt somit 26 Stimmen.
Die Länder, die derzeit noch am weitesten von der Erfüllung
der Kriterien entfernt sind - und das sind Griechenland, Italien, Portugal
und Spanien - verfügen zusammen über 28 Stimmen, haben also diese
Sperrminorität und können somit die Entscheidung über jene
Teilnehmer der Währungsunion, welche die Kriterien erfüllen,
blockieren.
Diese Verhandlungsmacht werden diese Länder benutzen, um eine Aufweichung
der Konvergenzkriterien durchzusetzen, um ebenfalls an der Währungsunion
teilnehmen zu können.
Eine andere Möglichkeit bestünde allerdings darin, daß
sich die Länder mit der Sperrminorität die Einwilligung zu einer
kleinen Währungsunion unter Ausschluß ihrer Teilnahme, zum Beispiel
durch eine Aufstockung des Kohäsionsfonds ,,abkaufen" lassen.
Diesen politischen und finanziellen Preis müßte vorrangig
die Bundesrepublik bezahlen, da ihre Vertreter am lautesten an der Währungsunion
interessiert sind.
Es würde sich damit der Skandal bei den Verhandlungen zum Maastricht-Vertrag
wiederholen, als die Mittelmeerländer sich ihre Zustimmung zum Vertrag
mit der Einrichtung dieses Kohäsionsfonds entgelten ließen.
Man mag zu allen diesen Ausführungen einwenden, daß sich
die Mitgliedstaaten in dem ,,Protokoll über den Übergang zur
dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion" verpflichteten,
den Eintritt in die Währungsunion auch dann nicht zu behindern, wenn
sie selbst nicht die notwendigen Voraussetzungen für die dritte Stufe
erfüllen.
Allein die Praxis der politischen Arrangements in der EU spricht eine
andere Sprache, so daß die faktische Bindungswirkung des Protokolls
mit hoher Skepsis betrachtet werden muß. |
5 |
Mit Buchungstricks, Einmalzahlungen und statistischer Schönfärberei
sollen die Konvergenzkriterien umgangen werden
Am bedenklichsten ist, daß Länder, die weit von den Verschuldungskriterien
entfernt liegen, in kurzatmiger Weise mit allerlei Tricks ihren Eintritt
in die Währungsunion zu erreichen versuchen. |
5.1 |
Um die Stäbilitätskriterien zu umgehen, will Italien seine
blühende Schattenwirtschaft, die Schwarzarbeit, in die Berechnungen
des Bruttoinlandproduktes einbeziehen, um so die Schuldenquote nachhaltig
zu senken.
Eine einmalige Europasteuer soll das Defizitkriterium von der Einnahmenseite
her erreichen helfen.
Frankreich setzt in seinen Manipulationen zur Reduktion der Schuldenquote
auf Einmalzahlungen und läßt sich 1997 von der staatseigenen
Firma France Telecom 12 Milliarden DM überweisen. Dafür übernimmt
der Staat künftige Pensionsverpflichtungen der Firma.
Belgien schließlich, dessen Beteiligung an der Währungsunion
auf Grund seiner extrem hohen Verschuldung geradezu utopisch anmutet, will
sich durch den Verkauf der Goldreserven sowie von Staatsimmobilien kurzfristig
sanieren.
Damit wird die mangelnde Seriosität der Finanzpolitiker zu dem
entscheidenden Problem der Währungsunion, das das Vertrauen der Finanzmärkte
und der Bevölkerung untergräbt.
(Bemerkung: dieser Text entstand vor der Goldfingerei des Hern Waigel
bei der Bundesbank)
Mit der Kombination aus Konvergenzkriterien und starrem Terminzwang
hat sich die deutsche Politik in eine Sackgasse begeben. Eine strikte Anwendung
der Stabilitätskriterien führt zu einem kleinen Teilnehmerkreis
und wirft daher das Problem einer wirtschaftlichen und politischen Spaltung
Europas auf.
Eine pragmatische Auslegung der Kriterien gefährdet andererseits
die Stabilitätsgemeinschaft. Da ohne eine stabile Währung Europa
auch politisch nicht erfolgreich sein kann, ist eine Verschiebung der Währungsunion
einem Scheitern vorzuziehen. |
5.2 |
Die Glaubwürdigkeit für eine Stabilitätsgemeinschaft
würde wesentlich erhöht, wenn insbesondere die Länder die
Konvergenzkriterien erfüllen würden, die zu den Gründungsmitgliedern
der EG gehören, also von Anfang an am Integrationsprozeß teilgenommen
haben.
Eine Verschiebung wäre kein Rückschritt im weiteren Integrationsprozeß,
eine Verschiebung würde vielmehr verhindern, daß die Währungsunion
von Beginn an durch wirtschaftliche Hypotheken belastet wird, die in ihrem
Gefolge auch ernste politische Instabilitäten nach sich ziehen.
Durch eine Verschiebung des Beginns der Währungsunion könnten
alle beteiligten Staaten auch den Beweis erbringen, daß sie die Stabilitätskriterien
tatsächlich auf Dauer hinweg erreichen. |
6 |
Stabilitätspakt - unsicher und ohne durchgreifende Wirkung |
6.1 |
Ein entscheidender struktureller Schwachpunkt der Funktionsvoraussetzungen
der Währungsunion besteht in der Tatsache, daß der vergemeinschafteten
Geldpolitik eine Budgetpolitik in nationaler Regie gegenübersteht.
Die Haushaltspolitiken der potentiellen Mitgliedstaaten werden aber
das entscheidende Moment für den inneren Zusammenhalt der beteiligten
Staaten sein. Die Gefahr einer unsolidarischen Fiskalpolitik von Teilnehmerstaaten
bei unterschiedlichem wirtschaftlichem Entwicklungsstand ist grundsätzlich
gegeben. |
6.2 |
Zudem werden die negativen Folgen einer zu hohen Staatsverschuldung
für die Stabilität der Währung in der Währungsunion
nicht mehr der jeweiligen Regierung zugerechnet, sondern der gemeinsamen
Notenbank angelastet.
Eine andauernde numerische Verpflichtung auf die 3 Prozent Defizitquote
und die 60 Prozent Verschuldungsquote - unter Ausschluß ,,pragmatischer
Interpretationen" - die als unabdingbar für die künftige Stabilität
im gemeinsamen Währungsraum angesehen werden muß, ist nicht
gesichert. |
6.3 |
Weder die im Artikel 104c EG-Vertrag niedergelegten Sanktionen noch
die Bestimmungen im ,,Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen
Defizit" garantieren wirksam die erforderliche Haushaltsdisziplin der potentiellen
Mitgliedstaaten über den Tag der Aufnahme in die Währungsunion
hinaus.
Das wahre Problem sind die sicher nicht durch Zufall unverbindlichen
Bestimmungen und Formulierungen des Maastrichter Vertrages, die eine wirklich
solidarische Finanz- und Haushaltspolitik in der Währungsunion wohl
unmöglich machen.
Dies zeigt schon die Tatsache, wie schwer sich die beteiligten Staaten
tun, die Auslegung verschiedener dehnbarer Begriffe wie ,,ausnahmsweise"
oder ,,vorübergehende Überschreitung der Defizitobergrenze" exakt
festzulegen.
Daher wird es auch nicht - wie ursprünglich in Aussicht gestellt
- zu einer völligen Automatik für das Greifen der Sanktionen
bei übermäßigen Budgets einzelner Mitgliedstaaten kommen.
Das im Dezember 1996 in Dublin ausgehandelte Verfahren zur Feststellung
eines übermäßigen Haushaltsdefizits eines Mitgliedslandes
sieht vor, daß bei einer Überschreitung der Drei-Prozent-Grenze
die EU-Kommission und der Wirtschafts- und Währungsausschuß
jeweils einen Bericht vorlegen, wobei in Rechnung gestellt wird, ob einerseits
ein „ungewöhnliches Ereignis" vorliegt, das sich der Kontrolle des
betreffenden Landes entzieht, oder ob andererseits die gesamtwirtschaftliche
Leistung des betreffenden Staates, das Bruttoinlandprodukt, jährlich
um mindestens 1,5 Prozent zurückgeht.
Angesichts der zunehmenden internationalen Verflechtung der Volkswirtschaften
liegt es auf der Hand, daß sich die defizitären Mitgliedsstaaten
häufig auf den ersten Ausnahmefall beziehen werden.
Liegt nach dem zweiten Ausnahmefall die Rezession des Mitgliedslandes
unterhalb des Wertes von -1,5%, so treten keine Sanktionen ein. Liegt dagegen
die Wirtschaftsabschwung des Landes über einem Wert von -0,75%, so
werden automatisch Strafen fällig.
Befindet sich das Land mit einem übermäßigen Budgetdefizit
in einer Rezessionsspanne- einem jährlichen Rückgang des Bruttosozialprodukts
- zwischen -0,75% und -1,5%, so wird der Ministerrat aufgrund der beiden
Berichte mit Mehrheit nach Artikel 104c entscheiden, ob Strafen gegen das
Mitgliedsland verhängt werden oder nicht.
Die Höhe der finanziellen Sanktion (Stabilitätseinlage) soll
nach einem variablen System zwischen 0,2% und 0,5% des Bruttoinlandsprodukts
betragen. Diese soll zunächst als zinslose Einlage erhoben und bei
Anhalten des übermäßigen Defizits nach zwei Jahren in eine
Geldbuße umgewandelt werden. Da die Bußgelder in den gemeinschaftlichen
Haushalt zurückfließen, partizipiert ironischerweise das Land
mit dem übermäßigen Budget aus seiner eigenen Geldbuße.
Wie wirksam ist dieses Verfahren dann noch? |
6.4 |
Die entscheidende Problematik des Verfahrens muß aber darin gesehen
werden, daß Volkswirtschaften, die sich in einer Rezession befinden,
in ihrer gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch Strafen weiter geschwächt
werden, was wiederum zu einer Verschärfung der bereits vorhandenen
Rezession führt.
Wie ein Land in dieser Situation aus einer Rezession ohne Wechselkursanpassung
herausfinden soll, ist völlig schleierhaft.
Damit wird die gesamte Glaubwürdigkeit des Verfahrens in Frage
gestellt. Dies ist umso mehr der Fall, je größer die Zahl der
Länder mit fiskalischen Stabilitätsproblemen ist.
Schließlich wird sich beim Abstimmungsverhalten die Neigung herausbilden,
Ausnahmetatbestände bei anderen anzuerkennen in der Hoffnung, daß
diese sich im Gegenzug ähnlich ,,kooperativ" verhalten. |
7 |
Hauptproblem: nicht auszuschließende Bail-Out-Effekte
oder Gemeinschafts-Haftung.
Das schwerwiegenste Argument gegen eine mögliche fiskalpolitische
Disziplinierung sind jedoch die breit diskutierten ,,Bail-Out"-Effekte,
wobei unter ,,Bail-Out" das Eintreten anderer Länder bei der Überschuldung
eines Staates verstanden wird, also die Haftung der anderen Staaten.
Zwar ist eine solche ,,Haftungsgemeinschaft" nach Artikel 104b EG-Vertrag
in der sogenannten ,,No-Bail-Out-Klausel" - der Nichthaftungsklausel -
formal ausgeschlossen. Doch dies ist bei weitem keine Garantie, daß
Bail-out durch diverse Hintertüren nicht doch praktiziert wird.
So wird im Artikel 104b EGV Bail-Out ausgeschlossen, aber gleichzeitig
im Artikel 103a Abs. 2 EGV praktisch wieder eingeführt. Dort sind
nämlich ausdrücklich gemeinschaftliche Hilfs- und Haftungsmaßnahmen
in besonderen nationalen Krisensituationen vorgesehen. |
7.1 |
Dies kann nach Ansicht von Wirtschaftsexperten schließlich dazu
führen, daß eine nationale Schuldenkrise Gefahren für die
Stabilität der gesamten Währungsunion nach sich ziehen kann.
Kommt es in einem verschuldeten Mitgliedsland zu einer ernsten Schuldenkrise,
so fehlt in einer Währungsunion die Möglichkeit, diese Staatsschuld
durch Inflation zu entwerten - immer vorausgesetzt, die Europäische
Zentralbank verfolgt tatsächlich das Ziel der Preisstabilität.
Der letzte Ausweg wäre in einem solchen Fall ein staatlicher Kreditausfall
durch das betreffende Land.
Kommt aber ein bedeutender Staat - nehmen wir als Beispiel Italien -
bei einer Gesamtverschuldung von über 100 Prozent des Bruttosozialproduktes
seinen Schuldverpflichtungen nicht mehr nach, so führt dies zu einem
Zusammenbruch der Finanzmärkte in der Gemeinschaft.
Denn Geschäftsbanken und institutionelle Anleger sind in großem
Umfange Kreditgeber des betreffenden Staates. Zur Vermeidung einer solchen
Finanzkrise würde aber der Druck auf einzelne Staaten in der Gemeinschaft
- besonders auf Deutschland - noch stärker, sofort finanziellen Beistand
zu leisten. Und andererseits könnte sich die Europäische Zentralbank
einer stärkeren Inflationsorientierung ihrer Geldpolitik nicht entziehen. |
8 |
Indirektes Bail-Qut
Noch in anderer Hinsicht sind Konkretisierungen des Solidaritätsprinzips
geeignet, die Nichthaftungsklausel zu untergraben.
Hier ist die Kohäsionspolitik im Rahmen der Strukturfonds und
der Europäischen Investitionsbank zu nennen. |
8.1 |
Insbesondere durch die kohäsionspolitischen Transferzahlungen
werden bei defizitgefährdeten Ländern positive Bonitätsbewertungen
geschaffen, die zu einer zusätzlichen Kreditgewährung bei der
Europäischen Investitionsbank führen.
Bereits die Kohäsionspolitik für sich selbst genommen hat
eine dem Bail-Out vergleichbare Wirkung.
Darüber hinaus wird die Kreditwürdigkeit des überschuldeten
Landes besser gestellt, was wiederum zu zusätzlicher Kreditaufnahme
führt. Damit erlaubt die Existenz eines umverteilenden Transfersystems
innerhalb der Währungsunion für die beteiligten Länder eine
höhere Verschuldung als in einer Situation ohne Transfersystem.
In diesem Zusammenhang müssen schon die Bestrebungen der wirtschaftlich
schwachen Länder innerhalb der Europäischen Union, aber auch
die Maßnahmen nach dem Delors-II-Paket gesehen werden. Diese wollen
den EU-Zentralhaushalt ausdehnen und parallel hierzu ein interregionales
Transfersystem mit einer festen Finanzausgleichsfunktion etablieren.
Länder mit einer unzumutbaren Defizitpolitik bekommen so Zugang
zu externer Finanzierung, da die privaten Kapitalmärkte eine wie auch
immer geartete Haftung durch die Gemeinschaft erwarten. |
8.2 |
Um einen wirkungsvollen Stabilitätspakt zu bekommen, wäre
der EG-Vertrag im Bereich des Artikel 104c über die Dubliner Beschlüsse
hinaus um einige wesentliche Forderungen zu ergänzen:
-
Es ist eine Beteiligung des Europäischen Zentralbank bei der
Erstellung der Berichte zur Feststellung eines übermäßigen
Defizits vorzusehen.
-
Es ist die Konditionensetzung der Europäischen Investitionsbank entsprechend
dem jeweiligen Länderrisiko zu ändern bzw. zu ergänzen.
-
sind die Strukturfondsmittel negativ mit übermäßigen Defiziten
zu koppeln.
-
Es ist ein Verbot von Beistandshilfen für einen Mitgliedstaat mit
chronischen übermäßigen Defiziten durchzusetzen, um Bail-Out-Vermutungen
als auch positiven Bonitätseffekten entgegenzuwirken.
-
Es ist der temporäre Entzug des Stimmrechts des Landes mit einem übermäßigen
Defizit vorzusehen.
-
Als eine Ultima Ratio ist bei wiederholter und nachhaltiger Verletzung
der Budgetdisziplin den Ausschluß des betreffenden Landes aus der
Währungsunion als letzte Sanktionsmöglichkeit zu erwägen.
|
9 |
Geldpolitisches Intrumentarium der EZB und die Bankenstruktur
Parallel zu den fiskalischen Problemen wirft der Maastricht-Vertrag
ein geldpolitisches Problem auf.
Das geldpolitische Instrumentarium kommt nämlich gegenwärtig
in Europa recht unterschiedlich zum Einsatz. Eine Vereinheitlichung der
Geldpolitik zu einem zentraleren Modell der Geldversorgung würde für
Deutschland nachhaltige negative Konsequenzen haben. |
9.1 |
Der Frage des Einsatzes des geldpolitischen Instrumentariums zum Zwecke
einer stabilitätspolitisch optimalen Geldversorgung und Beeinflussung
der Zinsentwicklung kommt gerade in der Währungsunion eine zentrale
Bedeutung zu. Zwischen den potentiellen Mitgliedstaaten der Währungsunion
kommt jedoch das geldpolitische Instrumentarium recht unterschiedlich zur
Anwendung.
Eine Harmonisierung der praktizierten Geldpolitik läßt sich
zwischen dem dezentralen deutschen Modell und dem zentral ausgerichteten
englischen Modell schwerlich vorstellen. Hierzu gibt es jedoch von offizieller
Seite nach wie vor keine befriedigenden Vorgaben.
Zur Geldmengensteuerung setzt die Deutsche Bundesbank ein über
viele Jahre technisch weit entwickeltes Modell ein, das alle Finanz-Instrumente
umfaßt. Insbesondere das Wechselrediskontgeschäft und das Lombardgeschäft
kommt bei der Bundesbank in nennenswertem Umfang zu Anwendung.
Dies ist für die Banken- und Finanzierungsstruktur in Deutschland
von hoher Bedeutung, da insbesondere kleine Banken nicht ständig am
Geldmarkt aktiv sein können und daher eine gesicherte Basisrefinanzierung
für sie unverzichtbar ist.
Eine Verringerung der Bedeutung von Refinanzierungsgeschäften würde
die Wettbewerbsfähigkeit vieler kleiner deutschen Kreditinstitute
schwächen.
Würde eine europäische Geldpolitik unter Verzicht von Basisrefinanzierungsmöglichkeiten
auch nur deutlich zentralistischer, so wäre für Deutschland als
Finanzplatz das Prinzip der Wettbewerbsneutralität nicht mehr gewahrt.
Die Finanzierungs- und Bankenstrukturen würden sich in einem zum
Teil schmerzlichen Prozeß dem neuen geldpolitischen Instrumentarium
anpassen müssen, mit der Gefahr eines Bankensterben im Bereich kleinerer
Institute einerseits und einer beschleunigten Konzentration der Kreditwirtschaft
andererseits.
Bei einer praktischen Orientierung am englischen Modell der Geldpolitik,
das sich ausschließlich auf Offenmarkt-Operationen mit nur wenigen
spezialisierten Kreditinstituten stützt, würde sich im übrigen
die Geldpolitik instrumenteller Optionen vergeben, die für das Erreichen
vorgegebener Geldmengenziele bedeutsam sind.
Dies würde im Hinblick auf die Gestaltung des Kreditschöpfungsspielraums
nicht ohne Auswirkungen auf die Geldwertstabilität bleiben.
Die bestehenden Finanzierungs- und Bankenstrukturen in Deutschland sind
das Ergebnis eines über Jahrzehnte technisch weit entwickelten Modells
der Geldmengensteuerung und Refinanzierungspolitik der Deutschen Bundesbank.
Hierin spielt die Basisrefinanzierung mittels Wechselrediskont- und
Lombardgeschäften der Geschäftsbanken eine wichtige Rolle. Mit
dem Maastricht-Vertrag soll dieses dezentral ausgerichtete und instrumentell
differenzierte geldpolitische System auf dem Altar einer zentralen Offen-Markt-Politik
geopfert werden. |
9.2 |
Droht unser dezentral ausgerichtete Geldversorgungssystem zugunsten
einer einheilich-zentralen Offen-Markt-Politik abgelöst zu werden
oder auch nur quantitativ an Bedeutung zu verlieren, so hat dies eminente
Wirkungen auf unser Bankensystem.
Müßte sich nämlich dieses an ein neues zentral ausgerichtetes
geldpolitisches Instrumentarium anpassen, so würde dies sicherlich
mit einem Bedeutungsverlust für Deutschland als Banken- und Finanzplatz
verbunden sein.
Die zentrale Ausgestaltung der Geldpolitik der europäischen Zentralbank
wird daher aus deutscher Sicht nicht wettbewerbsneutral sein. |
9.3 |
Da kleinere Banken nicht ständig am Geldmarkt aktiv sein können,
wird eine Rückführung bei der Basisrefinanzierung zu einer Veränderung
der Bankenlandschaft führen, in der langfristig nur die Großbanken
überleben können. |
10 |
Inflationsziel und Europäische Zentralbank
Schließlich zeichnet sich ab, daß sich die europäische
Geldpolitik nicht wie bisher an einem Geldmengenziel, sondern an einem
Inflationsziel orientiert.
Hierin ist zumindest teilweise die Aufgabe des Ziels der Geldwertstabilität
zu sehen.
Ein weiteres kommt hinzu: die Beschwörung einer Stabilitätsgemeinschaft
wird in den Augen der Bürger über lange Zeit nicht mehr als die
Qualität von ,,guten Vorsätzen" haben. Die Mitglieder des Europäischen
Zentralbankrates werden anderen Anreizen unterliegen als die Mitglieder
des Bundesbankdirektoriums. |
10.1 |
Die europäische Zentralbank wird mit einer anderen öffentlichen
Meinung im Hinblick auf das Stabilitätsziel konfrontiert, als die
Bundesbank.
Die Neigung der Mitglieder des Zentralbankrates, angesichts konkurrierender
wirtschaftspolitischer Ziele eine höhere Inflationsrate in Kauf zu
nehmen, ist anzunehmen.
Mit steigender Arbeitslosigkeit wird dieser Gesichtspunkt zunehmend
an Bedeutung gewinnen. |
10.2 |
Da es ein ,,Europäisches Volk" nicht gibt und die Problemlagen
unter den Staaten sich zumindest graduell unterschiedlich gestalten, muß
davon ausgegangen werden, daß sich jedes Mitglied des Europäischen
Zentralbankrates in erster Linie an der nationalen öffentlichen Meinung
seines Heimatlandes orientiert.
Die unterschiedlichen Interessen der nationalen Entscheidungsträger
sind somit der entscheidende Gesichtspunkt, der in der Praxis einer stabilitätsorientierten
Geldpolitik entgegensteht.
Auf einen kurzen Nenner gebracht bedeutet dies, daß die Europäische
Zentralbank zwar institutionell und formal unabhängig ist, jedoch
keineswegs im Bereich der personellen Entscheidungsträger.
Diese Ansicht wird durch Aussagen französischer Politiker bestätigt,
welche der Politik mehr Einfluß auf die Zentralbank geben möchten,
im Gegensatz zur Bundesregierung.
Im Interesse der Beibehaltung eines dezentralen Bankensystems und der
Stärkung der Geldwertstabilität ist es für uns unerläßlich,
im Maastricht-Vertrag über die bisherigen Bestimmungen hinaus einen
dezentralen Einsatz der geldpolitischen Maßnahmen festzuschreiben.
Eine erweiterte Beteiligung der nationalen Zentralbanken beim Einsatz
des geldpolitischen Instrumentariums ist zwingend vorzusehen. |
11 |
Was wird aus unseren Währungsreserven?
Währungsreserven stellen als Auslandforderungen die internationale
Liquidität, also die Zahlungsfähigkeit eines Währungsraums
dar. Die Höhe der Reserven spiegelt dabei die „geronnene" Exportkraft
einer Volkswirtschaft und steht in enger Beziehung zum Außenwert
einer Währung.
Mit der Etablierung der Europäischen Zentralbank (EZB) wird diese
vertragsgemäß mit Währungsreserven in Höhe von 50
Milliarden ECU für deren Wechselkurs- und Währungspolitik ausgestattet.
Die Währungsreserven dürfen dabei nicht aus Währungen
der Mitgliedstaaten, ECU, IWF-Reservepositionen oder aus Sonderziehungsrechten
bestehen, sonder müssen in Form von Gold, Dollar oder Yen erbracht
werden.
Die EBZ hat dabei das Recht, die ihr übertragenen Währungsreserven
zu halten und zu verwalten. Der Rat der EBZ entscheidet erst nach der Errichtung
der EBZ über den von den nationalen Zentralbanken einzufordernden
Teil sowie die zu einem spräteren Zeitpunkt noch einzufordernden Beträge.
Grundsätzlich werden die Beiträge der einzelnen nationalen
Zentralbanken entsprechend ihrem Anteil an dem gezeichneten Kapital der
EZB bestimmt. |
11.1 |
Neben den Währungsreserven ist nämlich die EZB zusätzlich
mit einem Kapital von 5 Milliarden ECU - 9,43 Milliarden DM auszustatten,
das durch Beschluß des EZB-Rates erhöht werden kann.
Danach kommt ein Schlüssel zu Anwendung, der jeder nationalen
Zentralbank einen Gewichtsanteil zuordnet, der sich aus folgender Summe
zusammensetzt:
50 Prozent des Anteils des jeweiligen Mitgliedstaates an der Bevölkerungszahl
der Gemeinschaft sowie 50 Prozent des Anteils des jeweiligen Mitgliedsstaates
am Bruttoinlandsprodukt Gemeinschaft in den fünf Jahren vor dem vorletzten
Jahr vor der Errichtung des Europäischen Zentralbanksystems.
Geht man von dem Währungsreservenbestand der Deutsch Bundesbank
in Höhe von 121,3 Milliarden DM = 64,3 Milliarden ECU am Ende des
Jahres 1995 aus, so hat die deutsche Zentralbank in einem ersten Schritt
15 Milliarden ECU oder ein Viertel ihrer Gold- und Devisenbestände
der EBZ zu übertragen.
Weitere Einzahlungen der nationalen Zentralbanken werden je nach Entscheidungen
des EZB-Rates fällig.
Dabei werden die Kräfteverhältnisse der Mitgliedsstaaten
im Rat von ausschlaggebender Bedeutung sein. Die bei den nationalen Zentralbanken
verbleibenden Währungsreserven werden von diesen für Geschäfte
mit internationalen Organisationen eingesetzt.
Um die einheitliche Wechselkurs- und Währungspolitik nach außen
nicht abzuschwächen, bedürfen Transaktionen in Fremdwährungen
von nationalen Zentralbanken oberhalb eines noch zu bestimmenden Betrags
der Zustimmung der EZB. |
11.2 |
Was danach mit dem deutschen Anteil der eingebrachten Währungsreserven
geschieht, d. h. ob sie aufgezehrt werden oder nicht, hängt ganz von
der Exportleitstungskraft des Währungsraumes und damit maßgeblich
vom Inflationsniveau, also dem „inneren Wert" des EURO ab. |
12 |
Eine erfolgversprechende Währungsunion ist auf absehbare Zeit
nicht möglich, da alle Voraussetzungen fehlen.
In ihren parlamentarischen Initiativen hat die Landtagsfraktion Die
Republikaner immer wieder die Forderung erhoben, den Stabilitätspakt
,,wasserdicht" zu gestalten und die Währungsunion zu verschieben. |
12.1 |
Dabei stehen wir im Einklang mit Wirtschaftsexperten aus Wissenschaft
und Praxis. Ein Beispiel hierfür ist die ,,Petersberger Erklärung",
in der sich die führenden Wirtschaftsverbände von Industrie,
Handel und Banken folgendermaßen folgendermaßen geäußert
haben:
,,Unerläßlich ist der Abschluß eines Stabilitätspakts,
der die teilnehmenden Länder zu einer dauerhaft stabilitätsorientierten
Finanzpolitik verpflichtet, weil das herkömmliche Haushaltsüberwachungsverfahren
der EU hierzu nicht ausreicht. Dieser Stabilitätspakt muß vor
Beginn der EWU unter Dach und Fach gebracht werden."
Dasselbe gilt auch für die Ausgestaltung der geldpolitischen Maßnahmen.
Zusammenfassend muß jedoch gesagt werden: Wir haben in diesem
Papier auf die Gefahren durch die europäische Währungsunion hingewiesen.
Wir haben vorgetragen, welche Änderungen und Verbesserungen unbedingt
erforderlich sind, um den Mißerfolg bei der Einführung der Einheitswährung
in Grenzen zu halten. |
12.2 |
Da jedoch die Grundvoraussetzungen für eine erfolgversprehende
europäische Währungsunion auch nicht im Ansatz gegeben sind,
lehnen wir eine solche zum Wohle der europäischen Völker
ab.
Statt dessen sind die europäischen Beziehungen im Sinne eines
Staatenbunds, einem Europa der Vaterländer zu vertiefen.
Schließlich ist ein so weitreichender Schritt wie eine Währungsunion
nicht denkbar, ohne zuvor das Volk im Rahmen eines
Referendums befragt zu haben.
Hierzu sind umgehend die grundgesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen. |
13 |
Dieser Vortrag wird in unregelmäßigen Abständen
- abhängig vom jeweiligen Informationsstand - überarbeitet.
Diese Ausgabe entspricht dem Stand vom 30. Mai 1997
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Die Republikaner
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