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Dieser Vortrag wird in unregelmäßigen Abständen - abhängig vom jeweiligen Informationsstand - überarbeitet.
Diese Ausgabe entspricht dem Stand vom 30. Mai 1997.
Hierzu Notiz am Ende der Datei 
Aus der Vortragsreihe im Landtag 
Die Europäische Währungsunion
Eine kritische und ablehnende Untersuchung  

Übersicht
 
Absatz  Thema
0 Vorwort MdL Krisch
1 Binnenmarkt - und seine Folgen
2 Entwicklungsunterschiede und Währungsräume 
Automatismus der Währungsunion 
Rolle der Konvergenzkriterien 
5 Buchungstricks wegen der Konvergenzkriterien 
6 Stabilitätspakt unsicher
7 Bail-Out-Effekte = Gemeinschaftshaftung
8 Indirektes Bail-Out
9 Geldpolitisches Instrumentarium / Bankenstruktur
10 Inflationsziel / Europäische Zentralbank
11 Die Währungsreserven
12 Erfolgversprechende Währungsunion nicht möglich
13 letzter Stand / letzte Überarbeitung dieses Vortrages
 
 
0 Vorwort    von Wolf Krisch MdL  


Das Thema Euro und damit das Thema Europäische Währungsunion wurde von der Fraktion Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg in den letzten Jahren immer wieder kritisch diskutiert und in vielen parlamentarischen Intiativen vorgetragen. 

Ergänzend wurden rechtliche Fragen, Verfassungsprobleme, Themen wie Verbraucherschutz, Lebensmittelrecht, Umweltschutz und andere im Zusammenhang mit dem Vertrag von Maastricht ebenfalls von den Republikanern in die Arbeit des Landtags eingebracht mit dem eindeutigen Ziel, eine Verbesserung des Vertrages von Maastricht zu erreichen. 
Schließlich führte die Fraktion im Dezember 1996 Gespräche im britischen Unterhaus mit englischen Parlamentariern. 
Die Haushaltsberatungen des Landtags von Baden-Württemberg im Januar 1997, Aussagen französischer Politiker, wonach die europäische Zentralbank Vorgaben der Politik zu gehorchen hat bzw. die ablehnenden Äußerungen der britischen Regierung Major und der der derzeitigen britischen Labour-Opposition zum Euro bestätigen unsere ablehnende Haltung zum Vertrag von Maastricht und zur geplanten europäischen Einheitswährung. 

Als sachliches Ergebnis all dieser Arbeiten müssen wir sowohl den Vertrag von Maastricht mindestens in der jetzigen Form, den Binnenmarkt und die geplante Einheitswährung Euro aus sachlichen Gründen ablehnen. 

Die vorliegende Broschüre ist ein Teil unserer Vortragsreihe aus dem Plenarssal, und ergänzt frühere Veröffentlichungen der Fraktion.  Den Bürgern sollen damit jene Kenntnisse und Informationen vermittelt werden, die weder von den Medien noch von Regierungspolitikern ausgesprochen werden, die aber für eine sachliche und vorurteilsfreie Beurteilung des Nutzens und des Nachteiles einer euopäischen Einheitswährung erforderlich sind. 
 

  Die Europäische Währungsunion  
Dr. Peter Linder 
1 Der Binnenmarkt - was hat er uns gebracht?  

Will man die Versprechen und die Euphorie der Bonner Politiker im Hinblick auf die von diesen ohne Rücksprache mit den Bürgern angestrebte Europäische Währungsunion beurteilen, so empfiehlt sich ein Blick zurück auf die Vorbereitung und Durchsetzung des Binnenmarktes seit 1993. 

Und es ist zu fragen: Sind die Versprechungen der Europapolitiker in der Vergangenheit aufgegangen? Haben sich die in Aussicht gestellten Zukunftserwartungen nur als ,,leere Versprechungen" herausgestellt? Welche Folgerungen sind hieraus für das wesentlich riskantere Projekt der Währungsunion zu ziehen? 

1.1 Nach den Währungsreformen 1923 und 1948 ist gerade bei uns Deutschen die Furcht vor Kaufkraftverlusten oder der Entwertung der Ersparnisse besonders hoch. Dem hat die Deutsche Bundesbank immer besonders Rechnung getragen. Zweifel sind angebracht, ob sich diese geldpolitische Tradition mit einem einheitlichen Euro fortführen läßt. Alle Umfragen zeigen immer wieder, daß in der Bevölkerung und zunehmend in Finanzkreisen der Euro nicht so stabil eingeschätzt wird wie die DM. Daran ändern auch die rituellen Hinweise auf die formale Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nichts. 

Warum es Gründe gibt, an eine stabile und auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtete europäische Währungspolitik zu glauben, sollen die folgenden Ausführungen aufzeigen - nicht mit billiger Polemik, sondern in Auseinandersetzung und mit abwägender Betrachtung. 

Mit dem Inkrafttreten der ,,Einheitlichen Europäischen Akte" im Jahre 1987 hat sich die EG ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, ein Ziel, welches bis heute in seinen zentralen Punkten nicht erreicht wurde: die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes. 

Über die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen in einem gemeinsamen Markt sollten neue Wachstums- und Handelsimpulse geschaffen werden, Europa sollte das Vorbild an Wachstum, Wohlstand, Beschäftigung, Stabilität und Lebenszufriedenheit werden. 

Dieser bis heute nicht eingelöste Anspruch fordert zu Fragen heraus: 
Wie stellt sich heute die Situation für den einzelnen Bürger in Wirklichkeit dar? 
Warum sind die Zusagen der Euro-Bürokraten nicht eingetroffen? 
Wer ist der Gewinner, wer ist der Verlierer bei der Integration zum größten und kaufkräftigsten Markt der Welt? 

1.2 Im Mittelpunkt des Binnenmarktes stehen die sogenannten vier Grundfreiheiten: 
freier Verkehr von 1) Personen, 2) Waren, 3) Dienstleistungen und 4) von Kapital. 
Hierzu veröffentlichte die Europäische Kommission bereits im Jahre 1985 ein Weißbuch mit dem Titel: ,,Vollendung des Binnenmarktes", in welchem bis Ende 1992 alle materiellen, technischen und steuerlichen Vorteile vorgeplant wurden. 

Doch bis heute - 1997 - konnte immer noch kein einigermaßen homogener Markt mit entsprechenden Wachstumsimpulsen entstehen, da nationale Wirtschafts- und Finanzinteressen, aber auch sprachliche und kulturelle Unterschiede als unüberwindbare Barrieren dagegenstanden. 

So erweist sich das Argument eines stärkeren Wettbewerbs als durchaus zweischneidig. 

Zwar wird global auch europaweit ein stärkerer Wettbewerbsdruck erreicht. Dieser verändert jedoch die Wirtschaftsstruktur hin zu immer größer werdenden Produktions- und Handelseinheiten. 

1.3 Auf lokaler Ebene, in Deutschland auf Länderebene, präsentieren sich diese Euro-Strukturen durchweg als wirtschaftliche Macht aufgrund zahlreicher werdender Firmenzusammenschlüsse. 

Dabei entsteht eine Monopolbildung sowohl auf der Anbieterseite gegenüber dem Verbraucher, als auch auf der Nachfragerseite nach Vorprodukten gegenüber den kleinen und mittleren Zuliefererfirmen. 

Das Nachsehen bei dieser Euro-Globalisierung haben demnach das ortsgebundene mittelständische Gewerbe, welches schwerpunktmäßig binnenwirtschaftlich ausgerichtet ist und damit den Euro-Konzernen weitgehend ausgeliefert ist. 

Eine europäische Kartellgesetzgebung, die diesem Trend entgegenwirken könnte, existiert bislang nicht. 

Ein weiterer kritischer Punkt ist in der Konzeption einer europäischen Industriepolitik zu sehen. Industriepolitik nach Maastricht-Art heißt nämlich vor allem eine Politik der Fördertöpfe und der öffentlichen Auftragsvergabe. 

Äußeres Zeichen sind die inzwischen zahlreichen Repräsentationsbüros großer Konzerne in Brüssel, die offen ihre Lobby-Rolle zur Schau tragen. Übermäßige Bürokratisierung, Sprachgrenzen mit offenkundiger Benachteiligung der am meisten gesprochenen Sprache in Europa und unterschiedliche Rechtssysteme blockieren jeden Ansatz zu einer einheitlichen Wirtschaftspolitik. 

Statt dessen wird auf eine subventionsorientierte Industriepolitik gesetzt mit bürokratischem Dirigismus. 

Wegen der fehlenden Nähe der euro-politischen Entscheidungsträger zu nationalen oder gar regionalen Märkten verfügen diese nicht über die notwendigen Informationen, um sachgerecht über Projekte entscheiden zu können. Letztlich sind es Experten von Interessengruppen, die ihre speziellen Interessen bei den Entscheidungsträgern der EG-Kommisssion durchsetzen. 

1.4  Entscheidungen im öffentlichen Auftragswesen sowie in der Projektförderung im Rahmen der Industriepolitik werden also durch ein Gemisch aus informellen Beziehungen zwischen Politikern, Beamten und Unternehmern bewirkt, die weniger nach europaweit gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsinteressen als unter dem Gesichtspunkt von Mitnahmeeffekten nach Einzelinteressen einflußreicher Gruppen entscheiden. 

Für jedermann sichtbar ist die fehlende Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes im Bereich der Harmonisierung indirekter Steuern, ganz besonders die fehlende sachgerechte Lösung der Mehrwertsteuerproblematik. 

Doch ohne Beseitigung der Steuergrenzen kann der Europäische 
Binnenmarkt nicht vollendet werden, ist praktisch zu einem ganz 
wesentlichen Teil überhaupt nicht existent. 

Da sich die Regierungen nicht auf eine Angleichung der Mehrwertsteuersätze verständigen konnten, war auch der sachgemäße und notwendige Umstieg von der jetzigen Bestimmungslandsbesteuerung auf das Ursprungslandprinzip nicht zu erwarten. 

Bestimmungslandbesteuerung bedeutet: die Mehrwertsteuer kommt dem Land zugute, das Waren verkauft, ohne daß dieses Land sonstige Leistungen erbringen muß. 
Ursprungslandprinzip bedeutet: wer eine Leistung erbringt, wer Waren herstellt und dafür zum Beispiel Straßen baut oder Abwasserprobleme löst, erhält die Mehrwertsteuer. 

So reicht die Mehrwertsteuer in den EU-Ländern noch heute von 15% bis 25%. Daneben gibt es Mehrwertsteuersätze für spezielle Güter zwischen Null und einem erhöhten Satz von 38%. 

Würde das Ursprungslandsprinzip ohne eine sogenannte Clearing-Stelle oder Ausgleichstelle, welche die Auswirkungen des Wegfalls der Steuergrenzen wieder rückgängig macht, eingeführt, dann würden sich steuerliche Mehreinnahmen für Länder mit Ausfuhrüberschuß ergeben, und steuerliche Mindereinnahmen für Länder mit Einfuhrüberschuß. 

1.5 Die großen Unterschiede bei den Mehrwertsteuersätzen würden weiterhin dazu führen, daß Länder mit niedrigen Sätzen gegenüber den Ländern mit höheren Sätzen erhebliche Wettbewerbsvorteile zu verzeichnen hätten. 

Unter dem Strich würde also der Übergang auf das binnenmarktgemäße Ursprungslandsprinzip im wesentlichen Vorteile für Deutschland bringen. 
Die fehlende Einigung auf diesem zentralen, wichtigen Gebiet ist ein Indiz, daß in der Wirklichkeit tiefe Differenzen innerhalb der EU-Staaten bestehen, wenn eigene Interessen betroffen sind. 

1.6 Bei all diesen ungelösten Problemen nimmt es nicht Wunder, daß Erwartungen, die mit dem Binnenmarkt verknüpft wurden, nicht eingetreten sind. Produktivitätshindernde und kostentreibende Schranken konnten nur auf dem Papier, nicht jedoch in der Realität abgebaut werden. 
Wachstumseffekte aufgrund von Marktöffnung sind bisher nicht festzustellen. 

Mit einer von der EG-Kommission in Auftrag gegebenen Studie zum Binnenmarkt, dem berühmten Cecchini-Bericht, wurde demgegenüber eine Erwartungshaltung erzeugt, die realistischerweise nicht eingelöst werden konnte. Danach wurden die Vorteile des Binnenmarktes auf bis zu 255 Milliarden ECU geschätzt. Das reale Bruttosozialprodukt wurde auf bis zu 7 Prozent höher liegend geschätzt als ohne die Schaffung des Binnenmarktes. 

Des weiteren wurden dem Binnenmarkt Effekte zugeschrieben, die zu einer Dämpfung der Inflation um 6 Prozent und zu einer Entlastung der öffentlichen Haushalte in Höhe von 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts führen sollten. 

1.7 Betrachtet man die heutige Situation, 1997, also vier Jahre nach Einführung des Binnenmarktes, so stellt sich die Lage recht nüchtern dar. 

Statt Wachstum haben wir eine anhaltende und nachhaltige Wachstums- und Produktivitätsschwäche in den Volkswirtschaften der Gemeinschaft, einen Negativrekord auf dem Gebiet der Arbeitslosigkeit und übermäßig verschuldete Staatshaushalte. 
Alle Hoffnungen, die mit dem Binnenmarkt verknüpft waren, wurden ad absurdum geführt - haben sich als völlig falsch erwiesen. 

Entwicklungsunterschiede und optimale Währungsräume 

Europa ist nicht so einheitlich, wie dies immer im Sinne der Europäischen Union dargestellt wird. 
Neben vielen Gemeinsamkeiten in kultureller Sicht, die für die Identität Europas gegenüber anderen Kulturkreisen stehen, bestehen gerade im ökonomischen, sozialen und finanzwirtschaftlichen Bereich erhebliche Unterschiede, mit einem deutlichen Nord-Süd-Gefälle. 
Die unterschiedlichen Lebensverhältnisse in den EU-Ländern zeigen sich im demographischen, im sozialstrukturellen und im ökonomischne Bereich. (hierzu Tabellen) 

2 Das ungleiche Gebilde der heutigen Europäischen Union wird im Wachstum dieser Gemeinschaft deutlich. 
Im Jahre 1957 bildeten sich aus den damaligen Montanunion-Ländern die sechs EWG-Kernländer. Eine erste Norderweiterung erfolgte im Jahre 1973 durch die Beitritte von Großbritannien, Irland und Dänemark. 
Dem folgte die Süderweiterung um Griechenland (1981) sowie Spanien und Portugal (1986). 
Die zweite Norderweiterung erfolgte schließlich 1995 mit den Ländern Österreich, Schweden und Finnland zur heutigen 15er-Gemeinschaft. 

Nach der Jahrhundertwende wird in zeitlich versetzten Stufen die 
Erweiterung der Union nach Osteuropa erwartet, die ein weiteres Moment der Disparität, also weitere Unterschiede einbringt. 

2.1 Betrachtet man nun die Länderketten von Portugal oder Griechenland über Mitteleuropa zu den britischen Inseln oder nach Skandinavien, so weisen die Länder und Regionen recht unterschiedliche Identifikationen, Traditionen, Staatsstrukturen, Lebensweisen und eben auch wirtschaftliche und soziale Entwicklungsstände auf. All das läßt nicht auf einen einheitlichen optimalen Währungsraum schließen. 

Die Bedingungen eines optimalen Währungsraums müssen jedoch gegeben sein, wenn eine Währungsintegration zum Erfolg führen soll. 

2.2 Was soll man nun unter einem optimalen Währungsraum verstehen? 
Welche Eigenschaften besitzt ein solcher?
2.3 Da in einem gemeinsamen Währungsraum die wirtschaftspolitische Autonomie, die Selbstständigkeit der Volkswirtschaften weitgehend verlorengeht (während der Beratung des Haushaltes 1997 im Landtag sagte ein Regierungssprecher Zitat „Es gibt keine deutsche Volkswirtschaft mehr") und insbesondere Wechselkurse und Zinsen nicht mehr als Instrumente im nationalen Rahmen zur Verfügung stehen, zeichnet sich ein optimaler Währungsraum über die bekannten monetären Konvergenzkriterien hinaus vor allem durch folgende Bedingungen aus: 
  •  die beteiligten Volkswirtschaften müssen realwirtschaftlich integriert sein, also zusammenarbeiten, 
  • Vorstellungen, Präferenzen und Prioritäten hinsichtlich wirtschaftspolitischer Ziele und des Einsatzes wirtschaftspolitischer Instrumente müssen einheitlich sein, 
  • Steuersysteme und Sozialleistungssysteme müssen angeglichen sein, 
  • eine möglichst gleichmäßige Verteilung der sektoralen Produktionsstruktur in den Ländern des Währungsraums muß gegeben sein,
  • ein auf Akzeptanz beruhendes, System von fiskalischen Transfers mit regionalem Finanzausgleichsmechanismus muß vorhanden sein 
Betrachtet man diese fünf Grundvoraussetzungen, so ist festzustellen, daß keine dieser Bedingungen auch nur in annähernder Weise für die gegenwärtigen 15 EU-Mitgliedsländer erbracht ist. 
Im Jahre 1996 erfüllte keines der vier Südländer auch nur eines der entscheidenden monetären Konvergenzkriterien, die im Vergleich zu den obigen fünf Bedingungen als „weich" gelten müssen. 

Allenfalls unter Ausschluß der Südländer könnten danach die mittel- und nordeuropäischen Volkswirtschaften die obigen Realbedingungen bis zu einem gewissen Grade erfüllen. 

Hier gibt es aber insofern Schwierigkeiten, als dabei Länder anzutreffen sind, die einer Währungsunion aus prinzipiellen Gründer skeptisch bis ablehnend gegenüber stehen. Hierzu zählen Großbritannien, Dänemark und in Abstufungen die Neulinge Schweden und Finnland. 

 Welche Probleme unter solchen Vorzeichen bei einer Währungsunion auftreten, sei an der genaueren Betrachtung der obigen Bedingungen aufgezeigt.

2.4 Der realwirtschaftliche Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft läßt sich durch eine Anzahl ökonomischer Indikatoren angeben, die sich auf die zentrale Leistungsgröße der Pro-Kopf-Einkommen zurückführen lassen. 

Bereits hier zeigen sich gravierende Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit innerhalb der EU-Länder. Griechenland erreicht nicht einmal die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner des EU-Durchschnitts und liegt am unteren Ende. Irland, Spanien und Portugal weisen stark unterdurchschnittliche Werte auf. 

In stärkerem Maße spiegeln sich die Disparitäten - die Unterschiede - in den Bruttoverdiensten der Arbeiter wider, die in Deutschland und Dänemark mehr als dreimal so hoch sind, wie in Portugal. 

Die durchschnittlichen Arbeitskosten je geleisteter Arbeitsstunde steigern das Entwicklungsgefälle noch, da diese in Deutschland sechsmal und in Frankreich fünfmal so hoch sind wie in Portugal. 

Aber selbst unter den mittel- und nordeuropäischen Ländern der EU ergeben sich erhebliche Unterschiede, die für einen einheitlichen Währungsraum sehr problematisch sind. Ähnlich wie bei der gesamtwirtschaftlichen Leistung driften die Länder der EU auch im Bereich der Arbeitslosigkeit und der Ausgestaltung der sozialen Schutzsysteme auseinander. 

2.5 Was Vorstellungen, Präferenzen und Prioritäten in der Wirtschaftspolitik angeht, so bestehen nach 40 Jahren europäischer Integrationsbemühungen erstaunliche Differenzen. 
In dem rasch zunehmenden Spannungsfeld zwischen Geldwertstabilität einerseits und Massenarbeitslosigkeit andererseits werden diese Differenzen zumindest zwischen einigen Ländern der EU eher zunehmen als abnehmen. 
Am deutlichsten und für jedermann sichtbar pocht Großbritannien auf eine eigenständige, einzig an nationalen Interessen ausgerichtete Wirtschaftspolitik. 
Ein milder abgestuftes Verhalten ist von den drei skandinavischen Staaten zu vernehmen. 

Die betont auf Inflationsvermeidung angelegte Wirtschaftspolitik Deutschlands stellt genaugenommen einen Spezialfall im Rahmen der EU dar. 
Frankreich zielt traditionell stärker auf eine mehr wachstums- und beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik. 

Nur mit Mühe ließen sich in der Vergangenheit diese völlig verschiedenen politischen Zielsetzungen und Mitteleinsätze verbergen. 
Schließlich liegt es in der Besonderheit der Lage der Südländer, ihren wirtschaftspolitischen Schwerpunkt eindeutig auf Wachstum zu setzen, wobei der Geldwertstabilität gleichsam ein residualer, ein relativ nebensächlicher Charakter zukommt. Wir können aber schon heute davon ausgehen, daß nach der Einführung der einheitlichen Währung die Differenzen über die Grundlinien der Wirtschaftspolitik mit aller Macht aufbrechen.

2.6 Entsprechend der ökonomischen Lage zeichnen sich bis heute grundsätzliche Unterschiede in den Steuer- und Sozialleistungssystemen zwischen den EU-Ländern aus. 

Das führt zu gänzlich unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen in den einzelnen Ländern. So sind die in den Staatsquoten sich niederschlagenden staatlichen Aktivitäten und Eingriffe in das ökonomische Geschehen unterschiedlich hoch. 

Das läßt auf unterschiedliche ordnungspolitische Vorstellungen schließen. Zum anderen lassen sich gravierende Gefälle im Bereich der sozialen Schutzsysteme ausmachen. Diese Differenzen sind nicht nur ein Nord-Süd-Problem. 
Das wird schon darin deutlich wird, daß im Zusammenhang mit dem Maastricht-Vertrag Großbritannien das zum Vertrag gehörende Sozialprotokoll nicht unterzeichnet hat. (Stand Frühjahr 1997) 
Das kann auch nicht verwundern, laufen doch die nationalen Bezugssysteme was soziale Tatbestände, Gewährleistungsvoraussetzungen und Finanzierungssystem angeht, zum Teil diametral auseinander. 

Da ein gesamteuropäischer Ordnungsrahmen im Steuer- und Sozialsystem nicht in Sicht ist, existiert auch kein Gleichgewicht auf dem so wichtigen Gebiet des Wettbewerbs oder beim sozialen Ausgleich. 

2.7 Auch von einer annähernden gleichgewichtigen Verteilung der Produktions- und Branchenstrukturen im EU-Europa kann nicht gesprochen werden. Bereits auf der Ebene der Wirtschaftsbereiche zeigen sich bedeutende Strukturunterschiede. 

Während in Deutschland immerhin noch 41 Prozent der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe tätig sind, 
sind das in Frankreich 29,5 Prozent, 
in Großbritannien 27,7 Prozent und 
in den Niederlanden 25,5 Prozent. 
Das heißt, diese Staaten haben im Dienstleistungsbereich einen höheren Entstehungsanteil des jeweiligen Sozialprodukts.  Diese Strukturdifferenzen, dieser Unterschied setzt sich fort, wenn man die fachlich tiefer gegliederten Wirtschaftszweige betrachtet. 

Allein bei den drei zentralen Wirtschaftszweigen: Maschinenbau, Elektrotechnik und Fahrzeugbau zeigen sich zum Teil gewaltige Unterschiede auch zwischen den mittel- und nordeuropäischen EU-Ländern. 

Was aber bei verschiedenen Währungen und mit flexiblen Wechselkurse unter außenwirtschaftlichen Gesichtspunkten als vergleichbarer Kostenvorteil der internationalen Arbeitsteilung erweist, wird in einer Währungsunion die Quelle und der Ausgangspunkt ständiger Krisen, und kann zu schweren ökonomischen und politischen Erschütterungen führen. 

Nur bei einheitlichem oder vergleichbarem Entwicklungsstand und bei annähernd gleicher Wirtschaftsstruktur der beteiligten Volkswirtschaften werden sich nachfragebedingte und angebotsbedingte Störungen der Wirtschaftstätigkeit von außen, sogenannte Schocks, auch möglichst gleichmäßig auf den gesamten einheitlichen Währungsraum verteilen. 

2.8 Wenn dagegen die sektorale Produktionsstruktur - wie dies in der EU der Fall ist - zu stark auseinanderfällt, dann verteilen sich die Folgen von sektorspezifischen Krisen auch ungleich auf die einzelnen Länder. 

Und weil dann Wechselkursanpassungen auf nationaler Ebene nicht mehr zur Verfügung stehen, wird der Ruf nach Subventionen für bestimmte Wirtschaftszweige und Branchen unüberhörbar, der schließlich in einen Wettlauf nach mehr Geld unter den EU-Staaten münden wird

2.9 Ob dann die Brüsseler Subventions-Bürokratie unter ordnungspolitischen Aspekten zu sachgerechten Entscheidungen kommt, muß doch sehr bezweifelt werden. 
Vielmehr ist zu befürchten, daß ein gigantischer Verteilungskampf um Subventionen und Fördertöpfe auf europäischer Ebene einsetzt, der schließlich in eine neue Dimension von Dirigismus und Protektionismus führt. 
Das ist dann der endgültige Abschied von der Ehrhardtschen Marktwirtschaft. 

Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Schaffung eines Währungsraums ist die Frage, wie nationale Krisen aufgefangen werden sollen. 
Dabei geht es darum, den bislang in einer freien Weltwirtschaft notwendigen Wechselkursmechanismus durch einen entsprechenden, möglichst genauso effizienten „Binnenausgleichsmechanismus" zu ersetzen. 

2.10 Ein solcher Binnenausgleichsmechanismus kann - soweit die nationalen Entwicklungsgefälle nicht durch Arbeitskräfte- und Kapitalwanderungen ausgeglichen werden - nur in einem Finanzausgleichssystem bestehen, in dem nach Möglichkeit automatische Stabilisatoren wirksam werden. 
Zusätzlich zur verstärkten Einwanderung Arbeitssuchender nach Deutschland und zusätzlich zum Abfluß von Kapital ins Ausland werden wir einen „Solidaritätszuschlag" für andere europäische Staaten bezahlen müssen. 

Zwar läßt sich einwenden, daß die EU gegenwärtig über kein ausdrücklich vereinbartes System von Finanzausgleichsregelungen - vergleichbar dem deutschen Länderfinanzausgleich - verfügt. Betrachtet man aber das Einnahmen- und Ausgabenverhalten des EU-Haushalts unter Finanzausgleichsaspekten, so wird deutlich, daß ein Finanzausgleich in impliziter, in versteckter Form sehr wohl besteht. 
So werden die Mitgliedstaaten mit ihren Zahlungen an die EU unterschiedlich belastet - an der Spitze mit weitem Abstand Deutschland. 
Und auch über die Steuerung der Rückflüsse von Geldern an die Mitgliedstaaten wird sehr wohl ein versteckter Finanzausgleich schon jetzt vorgenommen. 

Gleichwohl gehen Wirtschaftsexperten davon aus, daß die gegenwärtige Größenordnung des zentralen EU-Haushalts, einschließlich der Strukturfonds, viel zu gering ist, um bei einer einheitlichen Währung genügend ausgleichend zu wirken. 

Sogar nach der Umsetzung des „Delors-Pakets" 1993 beträgt das EU-Haushaltsvolumen nur etwa 1,3% des Bruttoinlandsprodukts der EU. 

Zum Vergleich beträgt der Anteil des zentralen Haushaltsvolumens in den stark föderativ ausgerichteten USA immerhin 30% des Bruttoinlandsprodukts. Damit ist die USA in der Lage, über automatische Stabilisierungseffekte des US-Haushalts fast 40% der regionalen konjunkturellen Schwankungen in den einzelnen US-Bundesstaaten auszugleichen. 

2.11  Damit ist aber auch eindeutig klar, daß es nach der Einführung des EURO nicht beim jetzigen Haushalts- und Finanzsystem bleiben wird, sondern daß es eine gewaltige Ausweitung des Einnahmevolumens des EU-Haushalts geben muß, will man die nationalen Entwicklungs- und Strukturunterschiede auch nur im Ansatz ausgleichen. 

In der Tat sind schon heute die Stimmen hörbar, die in einem ausdrücklichen Finanzausgleich, in einem Solidaritätszuschlag für Europa mit entsprechendem Verteilungsvolumen ein Gebot finanzwirtschaftlicher Realität sehen und darüber hinaus auch die Voraussetzung für eine erfolgreiche Konvergenzpolitik nach Einführung der Währungsunion. 

Dies muß auch vor dem Hintergrund gesehen werden, daß Deutschland heute etwa viermal soviel Nettoleistungen zum EU-Haushalt erbringt wie Frankreich und Großbritannien oder zweieinhalbmal soviel wie alle Nettozahler zusammen. 

Im Zeitraum 1991 bis 1999 (Ablauf der mittelfristigen Finanzplanung) wird Deutschland nach Berechnungen des Europäischen Rechnungshofs wegen eines unsachgemäßen und damit ungerechten Verteilungsschlüssels rund 150 Milliarden DM Überzahlungen geleistet haben. 

2.12 Anpassungen über Finanzausgleichssysteme sind aber nicht der einzige Mechanismus zum Ausgleich regionaler und nationaler ökonomischer Krisen. 
Ausgleichsmechanismen erfolgen auch und wie schon erwähnt, über den Arbeitsmarkt und zwar sowohl über Arbeitskräftewanderungen als auch über eine vorhandene Flexibilität der Löhne. 

Untersuchungen aus den USA zeigen an, was ein erzwungener einheitlicher Währungsraum in Europa an Arbeitskräftewanderungen auslösen wird. 
In den USA läßt sich feststellen, daß die Wirkungen von regionalen Krisen und deren Beschäftigungsschocks im wesentlichen durch Wanderungen innerhalb der Bundesländer der USA und erst danach in zweiter Linie durch Lohnanpassungen ausgeglichen werden. 

2.13 Ein Arbeitsmarktausgleich bei nationalen Beschäftigungseinbrüchen würde auch in der geplanten Währungsunion über Wanderungen und hier über Zuwanderungen nach Deutschland erfolgen. 
Mit welchen Zahlen hierbei zu rechnen ist, läßt sich wiederum an vergleichenden US-Studien belegen. So betrugen im Zeitraum 1980 bis 1985 die durchschnittlichen regionalen Nettowanderungen zwischen 64 Regionen in der EU 0,2% der Gesamtbevölkerung. 
In den USA mit einem einheitlichem Währungsraum und damit niedrigen Mobilitätsschranken belief sich dieser Wert im gleichen Zeitraum zwischen den 50 Bundesstaaten auf 0,7%. 
Damit läßt sich zuverlässig vorhersagen, daß sich die Wanderungspotentiale innerhalb der EU-Staaten als Folge der Währungsunion verdreifachen werden. 
Das führt zu einer schlimmen Verschärfung der Zuwanderungsproblematik in Deutschland. 

Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat 1994 in einer Studie richtigerweise darauf hingewiesen, daß nach Fortfall der Wechselkursflexibilität die Flexibilität der nationalen Lohnniveaus das wichtigste Mittel zur Beeinflussung der Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist. 
In einer Währungsunion wird also der Zusammenhang zwischen Nominallohn und Beschäftigungsniveau noch stärker ausgeprägt sein, als dieser bisher schon ist. 

2.14 Die Einführung einer gemeinsamen Euro-Währung bedeutet, daß die europaweiten Einkommensdifferenzen zwischen Sizilien und Hamburg oder zwischen Neapel und Amsterdam unmittelbar sichtbar werden. Der Geldschleier der nationalen Währungen fällt ja weg. Dies wird - zumindest auf lange Sicht -  zu einer Angleichung der Gewerkschaftsstrukturen und -strategien in den Mitgliedsländern führen, mit einer europäisierten Tarifpolitik am Ende. 

Damit verbunden wären erhebliche Anpassungsnachteile für die abhängig Beschäftigten in den sogenannten Hochlohnländern mit noch hoher, aber sich zunehmend dem EU-Durchschnitt nach unten anpassender gesamtwirtschaftlicher Produktivität. 

Zum anderen läßt sich ein Modell der Dezentralisierung des Lohnfindungssystems vorstellen, das eine flexible Anpassung der Löhne auf der Basis von Mindestarifabschlüssen, Empfehlungen oder Bandbreiten bis hin zur einzelbetrieblichen Ebene unter weitgehender Ausschaltung gewerkschaftlicher Macht vorsieht. 

2.15 Gerade in betont flexiblen Lohnfindungssystemen aber würde sich EU-weit die Tendenz zur Angleichung der Lohnniveaus herausbilden, wobei insbesondere die Beschäftigten in Deutschland große Einkommenseinbußen hinzunehmen hätten. 

Dazu kommt: je flexibler das Tarifsystem sich entwickelt, um so stärker wird sich die Zuwanderung von Arbeitskräften lohndrückend in Deutschland auswirken. 

Kein Wunder, daß selbst Autoren des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes künftig einen grundlegenden Zwiespalt zwischen Mitgliederinteressen und Systemorientierung hinsichtlich der Währungsunion sehen. 
Die Bedeutung dieser Aussage kann nicht hoch genug eingestuft werden. 

Wenn es eine einheitliche Währung in Europa gibt, wird dies zu Lasten der Lohn- und Gehaltsempfänger in Deutschland gehen. 
Und auch die Gewerkschaften werden ein Opfer der Einheitswährung. Der Einfluß der Gewerkschaften wird also sinken. 

Wo bleibt hier der Selbsterhaltungstrieb der Gewerkschaften, wo bleibt deren Einschwenken auf die den Gewerkschaften dienliche Linie der Republikaner? 

3 Automatismus beim Zustandekommen der Währungsunion  

Es ist naheliegend, daß sich die ungünstigen Anfangsbedingungen zur Schaffung einer Währungsunion auch im Verfahren des Zustandekommens der Währungsunion widerspiegeln. Der Europäische Rat hat auf seinem Treffen in Madrid vereinbart, die Teilnehmerländer an der dritten Stufe zur Währungsunion im Frühjahr 1998 auf Basis der wirtschaftlichen Daten des Jahres 1997 auszuwählen. 

Dabei wird immer wieder von Regierungsseite behauptet - so auch in der uns vorliegenden Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg auf einen Antrag unserer Fraktion, daß ein Automatismus für die Einführung des EURO nicht existiere. 
Hierzu wird in der Regel das Bundesverfassungsgericht und der sogenannte Parlamentsvorbehalt bemüht. 

Die Dinge liegen jedoch nicht so einfach und klar zutage. 

So findet sich im Vertrag von Maastricht folgender Satz: 
,,Ist bis Ende 1997 der Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe nicht festgelegt worden, so beginnt die dritte Stufe am 1. Januar 1999." 
Mit dem Artikel 109j Abs.4 tritt aber eine Automatik in Kraft, nach der die dritte Stufe zum 1.1.1999 in jedem Fall beginnen soll. 

Damit hat sich die Bundesregierung überflüssigerweise in eine Zwickmühle begeben, und befindet sich in einem unauflöslichen Widerspruch zwischen dem Erfüllungsgrad der Konvergenzkriterien einerseits und dem Eintrittszwang in die dritte Stufe andererseits. 

3.1 Zwar ist das Bundesverfassungsgericht der Auffassung, daß sich die Bundesrepublik mit der Ratifikation des EG-Vertrages nicht einem - Zitat - ,,unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht steuerbaren Automatismus" unterwirft und begründet dies mit dem schon genannten angeblichen Parlamentsvorbehalt. 

Doch wie steht es um diesen Parlamentsvorbehalt wirklich? 
Der Parlamentsvorbehalt umfaßt bei genauerer Betrachtung nur die Überprüfung des Übergangsprozesses zur dritten Stufe der Währungsunion. Ihm kommt nur das Recht einer Bewertung über den Reifegrad der Währungsunion, also über die Einhaltung der Konvergenzkriterien durch die Vertragsstaaten zu. 

3.2 Keinesfalls wird das im Unionsvertrag vorgesehene Verfahren zur Realisierung der Währungsunion in ihrer dritten Stufe durch den Parlamentsvorbehalt im geringsten berührt. Insbesondere kann im Parlamentsvorbehalt kein ,,Zweitratifikationsrecht" oder analog zu Großbritannien und Dänemark ein ,,Opting Out" - ein Austrittsrecht - gesehen werden, denn vom deutschen Parlamentsvorbehalt ist im EG-Vertrag weit und breit nichts zu lesen. 

Daher ist der sogenannte Parlamentsvorbehalt völlig ungeeignet, den Weg in die Währungsunion hinreichend zu kontrollieren. Diesen Sachverhalt bringt auch das ,,Protokoll über den Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion" zum Ausdruck, wenn dort unmißverständlich von der ,,Unumkehrbarkeit" des Übergangs gesprochen wird. 

3.3 Schließlich sei noch aus berufenstem Munde der Bundeskanzler zitiert, nach dem der Prozeß zur Währungsunion ,,irreversibel" vorgeschrieben ist. 

Aus all dem ergibt sich, daß der Parlamentsvorbehalt - bei allen gegenteiligen Beteuerungen - nicht in der Lage ist einen Automatismus beim Übergang zur Währungsunion zu blockieren. 
Mehr noch: da die Entscheidung, ob zur Währungsunion übergegangen wird, mit qualifizierter Mehrheit erfolgt, kann die Bundesregierung, selbst wenn sie sich an einen verneinenden Beschluß des Bundestages oder Bundesrates halten würde, im Rat überstimmt und von den anderen EU-Staaten in die Währungsunion hineingezwungen werden. 

So sehen die Verträge aus, die unsere Regierung geschlossen hat, denen alle Bundestagsparteien, denen außer den Republikanern alle anderen Fraktionen im Landtag und zwar ohne jeden Vorbehalt zugestimmt haben! 

4 Die Rolle der Konvergenzkriterien 

Besondere Bedeutung kommt der Bewertung des Reifegrades der Währungsunion zu, der an den Konvergenzkriterien gemessen wird. Immer wieder werden diese Konvergenzkriterien herangezogen, um den Stabilitätscharakter der Währungsunion zu untermauern. 

Aber auch hier muß festgehalten werden: die Konvergenzkriterien halten nicht, was die Politiker uns versprechen. 
Insbesondere muß dem Eindruck entgegengewirkt werden, die Kriterien seien gleichsam eine Garantie für einen stabilitätsorientierten Beginn der Währungsunion. Tatsächlich ergeben sich bei genauerem Betrachten beträchtliche Beurteilungsspielräume und damit eine große Unsicherheit, welche Voraussetzungen denn tatsächlich erfüllt sein müssen und welche Länder letztlich in die Währungsunion eintreten können

4.1 Grundlage für die Beurteilung der Erfüllung der Konvergenzkriterien sind nämlich nur die Länderberichte der Kommission und des Europäischen Währungsinstituts. 

Nun sind in den Berichten neben den vier Konvergenzkriterien noch weitere Indikatoren zu berücksichtigen. Das sind: die Entwicklung des ECU, die Integration der Märkte, Stand und Entwicklung der Leistungsbilanzen der Länder sowie die Entwicklung der Lohnstückkosten und anderer Preisindizes. 

Welche Rolle diese Indikatoren im Verhältnis zu den vier ,,harten" Kriterien spielen, bleibt dabei offen. 
Auch ist im Maastrichter Vertrag immer wieder von einer Bewertung der Konvergenzkriterien die Rede, wobei ,,Bewertungsverfahren" im Gegensatz zu ,,Numerus-clausus-Verfahren", also zu exakt definierten, immer einen subjektiven Entscheidungsspielraum eröffnen. 

4.2 Bewertungsverfahren sind immer wie Gummi - man kann sie dahin dehnen, wo man sie haben will. Auf eine punktgenaue Erfüllung der Maastricht-Kriterien wird in den meisten Fällen bewußt verzichtet. 

Wie dehnbar die Kriterien sind, zeigt Artikel 104c Abs.2, wonach ein Budgetdefizit dann nicht als übermäßig anzusehen ist, wenn es nur ,,ausnahmsweise und vorübergehend" größer als 3 vH des Bruttoinlandsprodukts ist oder ,,erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwertes erreicht". 
Auch kann ein Schuldenstand hingenommen werden, der „größer als 60" vH des Bruttosozialprodukts ist, wenn er ,,hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert". 

Was ausnahmsweise oder vorübergehend oder erheblich bedeutet - das ist nirgends definiert, das kann alles sein. 

Schon dem Zustandekommen der Berichte kommt besondere Bedeutung zu, da sie ein subjektives Moment in den Verfahrensgang einbringen. 
Dies gilt sowohl für die Bewertung der Indikatoren und Kriterien, aber auch für statistische Probleme. Das unverdächtige Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellt dazu fest: 
,,Einige der eher zur Verletzung der Konvergenzkriterien neigenden Mitgliedstaaten sehen in einer WWU-Teilnahme von Anfang an für sich sowohl einen ökonomischen Vorteil als auch eine Prestigesache.

4.3 Sie werden deshalb zum einen alles daransetzen, daß die verbindliche Interpretation der Kriterien so weich wie möglich ausfällt, und sie werden zum anderen versuchen, die anstehende Definitionsentscheidung so zu beeinflussen, daß der statistische Ausweis ihre eigene Lage schönt." 

Es kann also nicht deutlich genug betont werden: 
die Konvergenzkriterien liefern nur Anhaltspunkte für die Auswahl der Teilnehmerländer. Sie sind keine Beitrittsbedingungen und haben rechtlich keinen bindenden Charakter! 

Es ist daher zu erwarten, daß die Auswahlentscheidung mit qualifizierter Mehrheit der Staats- und Regierungschef  rein politischer Natur sein wird. 

Der ehemalige EG-Kommissar und heutiges Direktoriumsmiglied der Deutschen Bundesbank, Peter Schmidhuber brachte diesen Sachverhalt auf den Punkt, als er ausführte: ,,Wenn die 15 Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit darüber abstimmen, wer an der dritten Stufe teilnimmt, wird es wohl nicht ohne Kompromisse, bilaterale Deals und taktische Allianzen abgehen." 
Damit haben sich unsere Warnungen als berechtigt herausgestellt. 

4.5 Schon jetzt wird weithin befürchtet, daß das Auswahlverfahren im Rahmen der qualifizierten Mehrheit zu einem machttaktischen Spiel wird. 
Für die qualifizierte Mehrheit benötigt ein Land nach Artikel 148 EG-Vertrag 62 von 87 Stimmen. 
4.6 Die Sperrminorität beträgt somit 26 Stimmen. 
Die Länder, die derzeit noch am weitesten von der Erfüllung der Kriterien entfernt sind - und das sind Griechenland, Italien, Portugal und Spanien - verfügen zusammen über 28 Stimmen, haben also diese Sperrminorität und können somit die Entscheidung über jene Teilnehmer der Währungsunion, welche die Kriterien erfüllen, blockieren. 

Diese Verhandlungsmacht werden diese Länder benutzen, um eine Aufweichung der Konvergenzkriterien durchzusetzen, um ebenfalls an der Währungsunion teilnehmen zu können. 

Eine andere Möglichkeit bestünde allerdings darin, daß sich die Länder mit der Sperrminorität die Einwilligung zu einer kleinen Währungsunion unter Ausschluß ihrer Teilnahme, zum Beispiel durch eine Aufstockung des Kohäsionsfonds ,,abkaufen" lassen. 

Diesen politischen und finanziellen Preis müßte vorrangig die Bundesrepublik bezahlen, da ihre Vertreter am lautesten an der Währungsunion interessiert sind. 
Es würde sich damit der Skandal bei den Verhandlungen zum Maastricht-Vertrag wiederholen, als die Mittelmeerländer sich ihre Zustimmung zum Vertrag mit der Einrichtung dieses Kohäsionsfonds entgelten ließen. 

Man mag zu allen diesen Ausführungen einwenden, daß sich die Mitgliedstaaten in dem ,,Protokoll über den Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion" verpflichteten, den Eintritt in die Währungsunion auch dann nicht zu behindern, wenn sie selbst nicht die notwendigen Voraussetzungen für die dritte Stufe erfüllen. 

Allein die Praxis der politischen Arrangements in der EU spricht eine andere Sprache, so daß die faktische Bindungswirkung des Protokolls mit hoher Skepsis betrachtet werden muß. 

5 Mit Buchungstricks, Einmalzahlungen und statistischer Schönfärberei sollen die Konvergenzkriterien umgangen werden 

Am bedenklichsten ist, daß Länder, die weit von den Verschuldungskriterien entfernt liegen, in kurzatmiger Weise mit allerlei Tricks ihren Eintritt in die Währungsunion zu erreichen versuchen. 

5.1 Um die Stäbilitätskriterien zu umgehen, will Italien seine blühende Schattenwirtschaft, die Schwarzarbeit, in die Berechnungen des Bruttoinlandproduktes einbeziehen, um so die Schuldenquote nachhaltig zu senken. 
Eine einmalige Europasteuer soll das Defizitkriterium von der Einnahmenseite her erreichen helfen. 

Frankreich setzt in seinen Manipulationen zur Reduktion der Schuldenquote auf Einmalzahlungen und läßt sich 1997 von der staatseigenen Firma France Telecom 12 Milliarden DM überweisen. Dafür übernimmt der Staat künftige Pensionsverpflichtungen der Firma. 

Belgien schließlich, dessen Beteiligung an der Währungsunion auf Grund seiner extrem hohen Verschuldung geradezu utopisch anmutet, will sich durch den Verkauf der Goldreserven sowie von Staatsimmobilien kurzfristig sanieren. 

Damit wird die mangelnde Seriosität der Finanzpolitiker zu dem entscheidenden Problem der Währungsunion, das das Vertrauen der Finanzmärkte und der Bevölkerung untergräbt. 

(Bemerkung: dieser Text entstand vor der Goldfingerei des Hern Waigel bei der Bundesbank) 
Mit der Kombination aus Konvergenzkriterien und starrem Terminzwang hat sich die deutsche Politik in eine Sackgasse begeben. Eine strikte Anwendung der Stabilitätskriterien führt zu einem kleinen Teilnehmerkreis und wirft daher das Problem einer wirtschaftlichen und politischen Spaltung Europas auf. 

Eine pragmatische Auslegung der Kriterien gefährdet andererseits die Stabilitätsgemeinschaft. Da ohne eine stabile Währung Europa auch politisch nicht erfolgreich sein kann, ist eine Verschiebung der Währungsunion einem Scheitern vorzuziehen. 

5.2 Die Glaubwürdigkeit für eine Stabilitätsgemeinschaft würde wesentlich erhöht, wenn insbesondere die Länder die Konvergenzkriterien erfüllen würden, die zu den Gründungsmitgliedern der EG gehören, also von Anfang an am Integrationsprozeß teilgenommen haben. 

Eine Verschiebung wäre kein Rückschritt im weiteren Integrationsprozeß, eine Verschiebung würde vielmehr verhindern, daß die Währungsunion von Beginn an durch wirtschaftliche Hypotheken belastet wird, die in ihrem Gefolge auch ernste politische Instabilitäten nach sich ziehen. 

Durch eine Verschiebung des Beginns der Währungsunion könnten alle beteiligten Staaten auch den Beweis erbringen, daß sie die Stabilitätskriterien tatsächlich auf Dauer hinweg erreichen.

6 Stabilitätspakt - unsicher und ohne durchgreifende Wirkung 
6.1 Ein entscheidender struktureller Schwachpunkt der Funktionsvoraussetzungen der Währungsunion besteht in der Tatsache, daß der vergemeinschafteten Geldpolitik eine Budgetpolitik in nationaler Regie gegenübersteht. 

Die Haushaltspolitiken der potentiellen Mitgliedstaaten werden aber das entscheidende Moment für den inneren Zusammenhalt der beteiligten Staaten sein. Die Gefahr einer unsolidarischen Fiskalpolitik von Teilnehmerstaaten bei unterschiedlichem wirtschaftlichem Entwicklungsstand ist grundsätzlich gegeben. 

6.2 Zudem werden die negativen Folgen einer zu hohen Staatsverschuldung für die Stabilität der Währung in der Währungsunion nicht mehr der jeweiligen Regierung zugerechnet, sondern der gemeinsamen Notenbank angelastet. 
Eine andauernde numerische Verpflichtung auf die 3 Prozent Defizitquote und die 60 Prozent Verschuldungsquote - unter Ausschluß ,,pragmatischer Interpretationen" - die als unabdingbar für die künftige Stabilität im gemeinsamen Währungsraum angesehen werden muß, ist nicht gesichert. 
6.3 Weder die im Artikel 104c EG-Vertrag niedergelegten Sanktionen noch die Bestimmungen im ,,Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit" garantieren wirksam die erforderliche Haushaltsdisziplin der potentiellen Mitgliedstaaten über den Tag der Aufnahme in die Währungsunion hinaus. 

Das wahre Problem sind die sicher nicht durch Zufall unverbindlichen Bestimmungen und Formulierungen des Maastrichter Vertrages, die eine wirklich solidarische Finanz- und Haushaltspolitik in der Währungsunion wohl unmöglich machen. 
Dies zeigt schon die Tatsache, wie schwer sich die beteiligten Staaten tun, die Auslegung verschiedener dehnbarer Begriffe wie ,,ausnahmsweise" oder ,,vorübergehende Überschreitung der Defizitobergrenze" exakt festzulegen. 

Daher wird es auch nicht - wie ursprünglich in Aussicht gestellt - zu einer völligen Automatik für das Greifen der Sanktionen bei übermäßigen Budgets einzelner Mitgliedstaaten kommen. 

Das im Dezember 1996 in Dublin ausgehandelte Verfahren zur Feststellung eines übermäßigen Haushaltsdefizits eines Mitgliedslandes sieht vor, daß bei einer Überschreitung der Drei-Prozent-Grenze die EU-Kommission und der Wirtschafts- und Währungsausschuß jeweils einen Bericht vorlegen, wobei in Rechnung gestellt wird, ob einerseits ein „ungewöhnliches Ereignis" vorliegt, das sich der Kontrolle des betreffenden Landes entzieht, oder ob andererseits die gesamtwirtschaftliche Leistung des betreffenden Staates, das Bruttoinlandprodukt, jährlich um mindestens 1,5 Prozent zurückgeht. 

Angesichts der zunehmenden internationalen Verflechtung der Volkswirtschaften liegt es auf der Hand, daß sich die defizitären Mitgliedsstaaten häufig auf den ersten Ausnahmefall beziehen werden. 

Liegt nach dem zweiten Ausnahmefall die Rezession des Mitgliedslandes unterhalb des Wertes von -1,5%, so treten keine Sanktionen ein. Liegt dagegen die Wirtschaftsabschwung des Landes über einem Wert von -0,75%, so werden automatisch Strafen fällig. 

Befindet sich das Land mit einem übermäßigen Budgetdefizit in einer Rezessionsspanne- einem jährlichen Rückgang des Bruttosozialprodukts - zwischen -0,75% und -1,5%, so wird der Ministerrat aufgrund der beiden Berichte mit Mehrheit nach Artikel 104c entscheiden, ob Strafen gegen das Mitgliedsland verhängt werden oder nicht. 

Die Höhe der finanziellen Sanktion (Stabilitätseinlage) soll nach einem variablen System zwischen 0,2% und 0,5% des Bruttoinlandsprodukts betragen. Diese soll zunächst als zinslose Einlage erhoben und bei Anhalten des übermäßigen Defizits nach zwei Jahren in eine Geldbuße umgewandelt werden. Da die Bußgelder in den gemeinschaftlichen Haushalt zurückfließen, partizipiert ironischerweise das Land mit dem übermäßigen Budget aus seiner eigenen Geldbuße. 

Wie wirksam ist dieses Verfahren dann noch?

6.4 Die entscheidende Problematik des Verfahrens muß aber darin gesehen werden, daß Volkswirtschaften, die sich in einer Rezession befinden, in ihrer gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch Strafen weiter geschwächt werden, was wiederum zu einer Verschärfung der bereits vorhandenen Rezession führt. 

Wie ein Land in dieser Situation aus einer Rezession ohne Wechselkursanpassung herausfinden soll, ist völlig schleierhaft. 

Damit wird die gesamte Glaubwürdigkeit des Verfahrens in Frage gestellt. Dies ist umso mehr der Fall, je größer die Zahl der Länder mit fiskalischen Stabilitätsproblemen ist. 

Schließlich wird sich beim Abstimmungsverhalten die Neigung herausbilden, Ausnahmetatbestände bei anderen anzuerkennen in der Hoffnung, daß diese sich im Gegenzug ähnlich ,,kooperativ" verhalten. 

7 Hauptproblem: nicht auszuschließende Bail-Out-Effekte  
oder  Gemeinschafts-Haftung.  

Das schwerwiegenste Argument gegen eine mögliche fiskalpolitische Disziplinierung sind jedoch die breit diskutierten ,,Bail-Out"-Effekte, wobei unter ,,Bail-Out" das Eintreten anderer Länder bei der Überschuldung eines Staates verstanden wird, also die Haftung der anderen Staaten. 

Zwar ist eine solche ,,Haftungsgemeinschaft" nach Artikel 104b EG-Vertrag in der sogenannten ,,No-Bail-Out-Klausel" - der Nichthaftungsklausel - formal ausgeschlossen. Doch dies ist bei weitem keine Garantie, daß Bail-out durch diverse Hintertüren nicht doch praktiziert wird. 

So wird im Artikel 104b EGV Bail-Out ausgeschlossen, aber gleichzeitig im Artikel 103a Abs. 2 EGV praktisch wieder eingeführt. Dort sind nämlich ausdrücklich gemeinschaftliche Hilfs- und Haftungsmaßnahmen in besonderen nationalen Krisensituationen vorgesehen.

7.1 Dies kann nach Ansicht von Wirtschaftsexperten schließlich dazu führen, daß eine nationale Schuldenkrise Gefahren für die Stabilität der gesamten Währungsunion nach sich ziehen kann. 

Kommt es in einem verschuldeten Mitgliedsland zu einer ernsten Schuldenkrise, so fehlt in einer Währungsunion die Möglichkeit, diese Staatsschuld durch Inflation zu entwerten - immer vorausgesetzt, die Europäische Zentralbank verfolgt tatsächlich das Ziel der Preisstabilität. Der letzte Ausweg wäre in einem solchen Fall ein staatlicher Kreditausfall durch das betreffende Land. 

Kommt aber ein bedeutender Staat - nehmen wir als Beispiel Italien - bei einer Gesamtverschuldung von über 100 Prozent des Bruttosozialproduktes seinen Schuldverpflichtungen nicht mehr nach, so führt dies zu einem Zusammenbruch der Finanzmärkte in der Gemeinschaft. 

Denn Geschäftsbanken und institutionelle Anleger sind in großem Umfange Kreditgeber des betreffenden Staates. Zur Vermeidung einer solchen Finanzkrise würde aber der Druck auf einzelne Staaten in der Gemeinschaft - besonders auf Deutschland - noch stärker, sofort finanziellen Beistand zu leisten. Und andererseits könnte sich die Europäische Zentralbank einer stärkeren Inflationsorientierung ihrer Geldpolitik nicht entziehen. 

8 Indirektes Bail-Qut  

Noch in anderer Hinsicht sind Konkretisierungen des Solidaritätsprinzips geeignet, die Nichthaftungsklausel zu untergraben. 
Hier ist die Kohäsionspolitik im Rahmen der Strukturfonds und der Europäischen Investitionsbank zu nennen. 

8.1 Insbesondere durch die kohäsionspolitischen Transferzahlungen werden bei defizitgefährdeten Ländern positive Bonitätsbewertungen geschaffen, die zu einer zusätzlichen Kreditgewährung bei der Europäischen Investitionsbank führen. 
Bereits die Kohäsionspolitik für sich selbst genommen hat eine dem Bail-Out vergleichbare Wirkung. 
Darüber hinaus wird die Kreditwürdigkeit des überschuldeten Landes besser gestellt, was wiederum zu zusätzlicher Kreditaufnahme führt. Damit erlaubt die Existenz eines umverteilenden Transfersystems innerhalb der Währungsunion für die beteiligten Länder eine höhere Verschuldung als in einer Situation ohne Transfersystem. 

In diesem Zusammenhang müssen schon die Bestrebungen der wirtschaftlich schwachen Länder innerhalb der Europäischen Union, aber auch die Maßnahmen nach dem Delors-II-Paket gesehen werden. Diese wollen den EU-Zentralhaushalt ausdehnen und parallel hierzu ein interregionales Transfersystem mit einer festen Finanzausgleichsfunktion etablieren. 
Länder mit einer unzumutbaren Defizitpolitik bekommen so Zugang zu externer Finanzierung, da die privaten Kapitalmärkte eine wie auch immer geartete Haftung durch die Gemeinschaft erwarten. 

8.2 Um einen wirkungsvollen Stabilitätspakt zu bekommen, wäre der EG-Vertrag im Bereich des Artikel 104c über die Dubliner Beschlüsse hinaus um einige wesentliche Forderungen zu ergänzen: 
  1.  Es ist eine Beteiligung des Europäischen Zentralbank bei der Erstellung der Berichte zur Feststellung eines übermäßigen Defizits vorzusehen. 
  2. Es ist die Konditionensetzung der Europäischen Investitionsbank entsprechend dem jeweiligen Länderrisiko zu ändern bzw. zu ergänzen. 
  3. sind die Strukturfondsmittel negativ mit übermäßigen Defiziten zu koppeln. 
  4. Es ist ein Verbot von Beistandshilfen für einen Mitgliedstaat mit chronischen übermäßigen Defiziten durchzusetzen, um Bail-Out-Vermutungen als auch positiven Bonitätseffekten entgegenzuwirken.
  5. Es ist der temporäre Entzug des Stimmrechts des Landes mit einem übermäßigen Defizit vorzusehen.
  6. Als eine Ultima Ratio ist bei wiederholter und nachhaltiger Verletzung der Budgetdisziplin den Ausschluß des betreffenden Landes aus der Währungsunion als letzte Sanktionsmöglichkeit zu erwägen.
9 Geldpolitisches Intrumentarium der EZB und die Bankenstruktur 

Parallel zu den fiskalischen Problemen wirft der Maastricht-Vertrag ein geldpolitisches Problem auf. 
Das geldpolitische Instrumentarium kommt nämlich gegenwärtig in Europa recht unterschiedlich zum Einsatz. Eine Vereinheitlichung der Geldpolitik zu einem zentraleren Modell der Geldversorgung würde für Deutschland nachhaltige negative Konsequenzen haben.

9.1 Der Frage des Einsatzes des geldpolitischen Instrumentariums zum Zwecke einer stabilitätspolitisch optimalen Geldversorgung und Beeinflussung der Zinsentwicklung kommt gerade in der Währungsunion eine zentrale Bedeutung zu. Zwischen den potentiellen Mitgliedstaaten der Währungsunion kommt jedoch das geldpolitische Instrumentarium recht unterschiedlich zur Anwendung. 

Eine Harmonisierung der praktizierten Geldpolitik läßt sich zwischen dem dezentralen deutschen Modell und dem zentral ausgerichteten englischen Modell schwerlich vorstellen. Hierzu gibt es jedoch von offizieller Seite nach wie vor keine befriedigenden Vorgaben. 

Zur Geldmengensteuerung setzt die Deutsche Bundesbank ein über viele Jahre technisch weit entwickeltes Modell ein, das alle Finanz-Instrumente umfaßt. Insbesondere das Wechselrediskontgeschäft und das Lombardgeschäft kommt bei der Bundesbank in nennenswertem Umfang zu Anwendung. 

Dies ist für die Banken- und Finanzierungsstruktur in Deutschland von hoher Bedeutung, da insbesondere kleine Banken nicht ständig am Geldmarkt aktiv sein können und daher eine gesicherte Basisrefinanzierung für sie unverzichtbar ist. 

Eine Verringerung der Bedeutung von Refinanzierungsgeschäften würde die Wettbewerbsfähigkeit vieler kleiner deutschen Kreditinstitute schwächen. 
Würde eine europäische Geldpolitik unter Verzicht von Basisrefinanzierungsmöglichkeiten auch nur deutlich zentralistischer, so wäre für Deutschland als Finanzplatz das Prinzip der Wettbewerbsneutralität nicht mehr gewahrt. 

Die Finanzierungs- und Bankenstrukturen würden sich in einem zum Teil schmerzlichen Prozeß dem neuen geldpolitischen Instrumentarium anpassen müssen, mit der Gefahr eines Bankensterben im Bereich kleinerer Institute einerseits und einer beschleunigten Konzentration der Kreditwirtschaft andererseits. 

Bei einer praktischen Orientierung am englischen Modell der Geldpolitik, das sich ausschließlich auf Offenmarkt-Operationen mit nur wenigen spezialisierten Kreditinstituten stützt, würde sich im übrigen die Geldpolitik instrumenteller Optionen vergeben, die für das Erreichen vorgegebener Geldmengenziele bedeutsam sind. 

Dies würde im Hinblick auf die Gestaltung des Kreditschöpfungsspielraums nicht ohne Auswirkungen auf die Geldwertstabilität bleiben. 

Die bestehenden Finanzierungs- und Bankenstrukturen in Deutschland sind das Ergebnis eines über Jahrzehnte technisch weit entwickelten Modells der Geldmengensteuerung und Refinanzierungspolitik der Deutschen Bundesbank. 

Hierin spielt die Basisrefinanzierung mittels Wechselrediskont- und Lombardgeschäften der Geschäftsbanken eine wichtige Rolle. Mit dem Maastricht-Vertrag soll dieses dezentral ausgerichtete und instrumentell differenzierte geldpolitische System auf dem Altar einer zentralen Offen-Markt-Politik geopfert werden. 

9.2 Droht unser dezentral ausgerichtete Geldversorgungssystem zugunsten einer einheilich-zentralen Offen-Markt-Politik abgelöst zu werden oder auch nur quantitativ an Bedeutung zu verlieren, so hat dies eminente Wirkungen auf unser Bankensystem. 

Müßte sich nämlich dieses an ein neues zentral ausgerichtetes geldpolitisches Instrumentarium anpassen, so würde dies sicherlich mit einem Bedeutungsverlust für Deutschland als Banken- und Finanzplatz verbunden sein. 
Die zentrale Ausgestaltung der Geldpolitik der europäischen Zentralbank wird daher aus deutscher Sicht nicht wettbewerbsneutral sein. 

9.3 Da kleinere Banken nicht ständig am Geldmarkt aktiv sein können, wird eine Rückführung bei der Basisrefinanzierung zu einer Veränderung der Bankenlandschaft führen, in der langfristig nur die Großbanken überleben können. 
10 Inflationsziel und Europäische Zentralbank  

Schließlich zeichnet sich ab, daß sich die europäische Geldpolitik nicht wie bisher an einem Geldmengenziel, sondern an einem Inflationsziel orientiert. 
Hierin ist zumindest teilweise die Aufgabe des Ziels der Geldwertstabilität zu sehen. 
Ein weiteres kommt hinzu: die Beschwörung einer Stabilitätsgemeinschaft wird in den Augen der Bürger über lange Zeit nicht mehr als die Qualität von ,,guten Vorsätzen" haben. Die Mitglieder des Europäischen Zentralbankrates werden anderen Anreizen unterliegen als die Mitglieder des Bundesbankdirektoriums. 

10.1 Die europäische Zentralbank wird mit einer anderen öffentlichen Meinung im Hinblick auf das Stabilitätsziel konfrontiert, als die Bundesbank. 
Die Neigung der Mitglieder des Zentralbankrates, angesichts konkurrierender wirtschaftspolitischer Ziele eine höhere Inflationsrate in Kauf zu nehmen, ist anzunehmen. 

Mit steigender Arbeitslosigkeit wird dieser Gesichtspunkt zunehmend an Bedeutung gewinnen. 

10.2 Da es ein ,,Europäisches Volk" nicht gibt und die Problemlagen unter den Staaten sich zumindest graduell unterschiedlich gestalten, muß davon ausgegangen werden, daß sich jedes Mitglied des Europäischen Zentralbankrates in erster Linie an der nationalen öffentlichen Meinung seines Heimatlandes orientiert. 

Die unterschiedlichen Interessen der nationalen Entscheidungsträger sind somit der entscheidende Gesichtspunkt, der in der Praxis einer stabilitätsorientierten Geldpolitik entgegensteht. 

Auf einen kurzen Nenner gebracht bedeutet dies, daß die Europäische Zentralbank zwar institutionell und formal unabhängig ist, jedoch keineswegs im Bereich der personellen Entscheidungsträger. 
Diese Ansicht wird durch Aussagen französischer Politiker bestätigt, welche der Politik mehr Einfluß auf die Zentralbank geben möchten, im Gegensatz zur Bundesregierung. 

Im Interesse der Beibehaltung eines dezentralen Bankensystems und der Stärkung der Geldwertstabilität ist es für uns unerläßlich, im Maastricht-Vertrag über die bisherigen Bestimmungen hinaus einen dezentralen Einsatz der geldpolitischen Maßnahmen festzuschreiben. 

Eine erweiterte Beteiligung der nationalen Zentralbanken beim Einsatz des geldpolitischen Instrumentariums ist zwingend vorzusehen. 

11 Was wird aus unseren Währungsreserven?  

Währungsreserven stellen als Auslandforderungen die internationale Liquidität, also die Zahlungsfähigkeit eines Währungsraums dar. Die Höhe der Reserven spiegelt dabei die „geronnene" Exportkraft einer Volkswirtschaft und steht in enger Beziehung zum Außenwert einer Währung. 

Mit der Etablierung der Europäischen Zentralbank (EZB) wird diese vertragsgemäß mit Währungsreserven in Höhe von 50 Milliarden ECU für deren Wechselkurs- und Währungspolitik ausgestattet. 

Die Währungsreserven dürfen dabei nicht aus Währungen der Mitgliedstaaten, ECU, IWF-Reservepositionen oder aus Sonderziehungsrechten bestehen, sonder müssen in Form von Gold, Dollar oder Yen erbracht werden. 

Die EBZ hat dabei das Recht, die ihr übertragenen Währungsreserven zu halten und zu verwalten. Der Rat der EBZ entscheidet erst nach der Errichtung der EBZ über den von den nationalen Zentralbanken einzufordernden Teil sowie die zu einem spräteren Zeitpunkt noch einzufordernden Beträge. 

Grundsätzlich werden die Beiträge der einzelnen nationalen Zentralbanken entsprechend ihrem Anteil an dem gezeichneten Kapital der EZB bestimmt. 

11.1 Neben den Währungsreserven ist nämlich die EZB zusätzlich mit einem Kapital von 5 Milliarden ECU - 9,43 Milliarden DM auszustatten, das durch Beschluß des EZB-Rates erhöht werden kann. 
Danach kommt ein Schlüssel zu Anwendung, der jeder nationalen Zentralbank einen Gewichtsanteil zuordnet, der sich aus folgender Summe zusammensetzt: 
50 Prozent des Anteils des jeweiligen Mitgliedstaates an der Bevölkerungszahl der Gemeinschaft sowie 50 Prozent des Anteils des jeweiligen Mitgliedsstaates am Bruttoinlandsprodukt Gemeinschaft in den fünf Jahren vor dem vorletzten Jahr vor der Errichtung des Europäischen Zentralbanksystems. 

Geht man von dem Währungsreservenbestand der Deutsch Bundesbank in Höhe von 121,3 Milliarden DM = 64,3 Milliarden ECU am Ende des Jahres 1995 aus, so hat die deutsche Zentralbank in einem ersten Schritt 15 Milliarden ECU oder ein Viertel ihrer Gold- und Devisenbestände der EBZ zu übertragen. 

Weitere Einzahlungen der nationalen Zentralbanken werden je nach Entscheidungen des EZB-Rates fällig. 
Dabei werden die Kräfteverhältnisse der Mitgliedsstaaten im Rat von ausschlaggebender Bedeutung sein. Die bei den nationalen Zentralbanken verbleibenden Währungsreserven werden von diesen für Geschäfte mit internationalen Organisationen eingesetzt. 

Um die einheitliche Wechselkurs- und Währungspolitik nach außen nicht abzuschwächen, bedürfen Transaktionen in Fremdwährungen von nationalen Zentralbanken oberhalb eines noch zu bestimmenden Betrags der Zustimmung der EZB. 

11.2  Was danach mit dem deutschen Anteil der eingebrachten Währungsreserven geschieht, d. h. ob sie aufgezehrt werden oder nicht, hängt ganz von der Exportleitstungskraft des Währungsraumes und damit maßgeblich vom Inflationsniveau, also dem „inneren Wert" des EURO ab. 
12 Eine erfolgversprechende Währungsunion ist auf absehbare Zeit nicht möglich, da alle Voraussetzungen fehlen. 

In ihren parlamentarischen Initiativen hat die Landtagsfraktion Die Republikaner immer wieder die Forderung erhoben, den Stabilitätspakt ,,wasserdicht" zu gestalten und die Währungsunion zu verschieben. 

12.1 Dabei stehen wir im Einklang mit Wirtschaftsexperten aus Wissenschaft und Praxis. Ein Beispiel hierfür ist die ,,Petersberger Erklärung", in der sich die führenden Wirtschaftsverbände von Industrie, Handel und Banken folgendermaßen folgendermaßen geäußert haben: 

,,Unerläßlich ist der Abschluß eines Stabilitätspakts, der die teilnehmenden Länder zu einer dauerhaft stabilitätsorientierten Finanzpolitik verpflichtet, weil das herkömmliche Haushaltsüberwachungsverfahren der EU hierzu nicht ausreicht. Dieser Stabilitätspakt muß vor Beginn der EWU unter Dach und Fach gebracht werden." 

Dasselbe gilt auch für die Ausgestaltung der geldpolitischen Maßnahmen. 
Zusammenfassend muß jedoch gesagt werden: Wir haben in diesem Papier auf die Gefahren durch die europäische Währungsunion hingewiesen. 

Wir haben vorgetragen, welche Änderungen und Verbesserungen unbedingt erforderlich sind, um den Mißerfolg bei der Einführung der Einheitswährung in Grenzen zu halten.

12.2 Da jedoch die Grundvoraussetzungen für eine erfolgversprehende 
europäische Währungsunion auch nicht im Ansatz gegeben sind, 
lehnen wir eine solche zum Wohle der europäischen Völker ab. 
Statt dessen sind die europäischen Beziehungen im Sinne eines Staatenbunds, einem Europa der Vaterländer zu vertiefen. 

Schließlich ist ein so weitreichender Schritt wie eine Währungsunion nicht denkbar, ohne zuvor das Volk im Rahmen eines 
Referendums befragt zu haben. 

Hierzu sind umgehend die grundgesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen. 

13 Dieser Vortrag wird in unregelmäßigen Abständen - abhängig vom jeweiligen Informationsstand - überarbeitet.  
Diese Ausgabe entspricht dem Stand vom 30. Mai 1997 

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Die Republikaner  
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