8. Plenarsitzung - 18. Juli 1996 - TOP 3 - Dr.12/19 
Antrag der Fraktion Die Republikaner 
Automatismus beim Eintritt in die Währungsunion 
Es gilt das gesprochene Wort. 
 
Sprecher der Fraktionen:
REP - Abg. Krisch 
CDU - Abg. Kurz 
SPD - Abg. Wettstein
Grüne - Abg. Hildebrandt
FDP / DVP - Abg. Freudenberg
Wirtschaftsminister Döring
REP - Abg. Krisch


Die hier wiedergegebenen Texte sind Kurzfassungen des Redeprotokolls des Landtags. Vollständige Texte sind erhältlich den jeweiligen Fraktionen oder von der Fraktion Republikaner. 

Präsident Straub: Punkt 3 der Tagesordnung ... Antrag der Fraktion Die Republikaner und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums --
Automatismus beim Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion -- Drucksache 12/19
Ich erteile das Wort Herrn Abg. Krisch.

Abg. Krisch REP:
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Wir warnen vor einem automatischen Eintritt in eine Währungsunion.
Das Wirtschaftsministerium bestreitet zwar, daß es einen solchen Automatismus überhaupt gibt.
Dagegen sagen wir:

Der Europäische Rat hat auf seinem Treffen in Madrid vereinbart, die Teilnehmerländer an der dritten Stufe zur Währungsunion im Frühjahr 1998 auf der Basis der wirtschaftlichen Daten des Jahres 1997 auszuwählen. Kann aber die Auswahl der Länder nach Artikel 109j Abs.3 des EG-Vertrags nicht bis zum 30.Dezember 1996 erfolgen, tritt entsprechend Artikel 109j Abs.4 eine Automatik in Kraft, wonach die dritte Stufe am 1.Januar 1999 beginnt.
Wir befinden uns also in einem unauflöslichen Widerspruch zwischen dem Erfüllungsgrad der Konvergenzkriterien einerseits und dem Eintrittszwang in die dritte Stufe andererseits.

Immer wieder wird von der Regierungsseite behauptet, so auch in der Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums zu unserem Antrag, daß ein solcher Automatismus gar nicht existiere. Dabei wird häufig das Bundesverfassungsgericht und der sogenannte Parlamentsvorbehalt bemüht.

Zu Unrecht, denn im Vertrag steht folgender Satz:
"Ist bis Ende 1997 der Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe nicht festgelegt worden, so beginnt die dritte Stufe am 1.Januar 1999." Ich stelle also fest: Dem Wortlaut des Vertrags nach existiert eine eindeutige Automatikklausel.

Daran kann auch das Bundesverfassungsgericht nichts ändern, das in der Tat versuchte, die Automatikklausel entgegen deren eindeutigem Wortlaut anders zu interpretieren. Das Gericht ist der Auffassung, die Bundesrepublik Deutschland unterwürfe sich mit der Ratifikation des EG-Vertrags nicht einem -- ich zitiere -- "unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht steuerbaren Automatismus", und begründet das mit dem schon erwähnten Parlamentsvorbehalt.

Doch der Parlamentsvorbehalt umfaßt im Kern nur die Überprüfung und die Bewertung des Übergangsprozesses zur dritten Stufe.

Ich wiederhole:
Dem Parlamentsvorbehalt kommt nur die Bedeutung einer Bewertung über den Reifegrad der Währungsunion, also über die Einhaltung der Konvergenzkriterien der Vertragsstaaten, zu und sonst gar nichts.

Das im Unionsvertrag vorgesehene Verfahren zur Realisierung der Währungsunion in ihrer dritten Stufe wird durch diesen Parlamentsvorbehalt nicht im geringsten berührt.

Erst recht kann im Parlamentsvorbehalt kein Zweitratifikationsrecht gesehen werden, denn vom Parlamentsvorbehalt ist im EG-Vertrag nichts zu lesen, und zwar im Gegensatz zu dem Nichteintrittsrecht, zu dem Opting-out, welches die intelligenten Briten und Dänen schriftlich fixiert haben.
Das bringt auch das Protokoll über den Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion zum Ausdruck.
Dort wird unmißverständlich von der Unumkehrbarkeit des
Übergangs gesprochen. Auch der Bundeskanzler bezeichnet den Vorgang als irreversibel.

Daraus ergibt sich:
Der Parlamentsvorbehalt kann einen Automatismus beim Übergang in die Währungsunion nicht blockieren. Mehr noch und schlimmer:
Da die Entscheidung, ob zur Währungsunion übergegangen wird, mit qualifizierter Mehrheit erfolgt, kann die Bundesregierung im Rat überstimmt und in die Währungsunion hineingezwungen werden, selbst bei einem verneinenden Beschluß von Bundestag und
Bundesrat.

Hätte die Bundesregierung die Automatik wirklich außer Kraft setzen wollen, dann hätte sie entsprechend der Einführung des Binnenmarkts handeln müssen.

Im EG-Vertrag heißt es sinngemäß:
Die Gemeinschaft trifft die erforderlichen Maßnahmen, um den Binnenmarkt schrittweise zu verwirklichen. Damit jedes Mißverständnis ausgeschlossen ist, wurde damals ausdrücklich erklärt:
Die Festlegung des Termins -- das war damals Dezember 1992 -- bringt keine automatisch rechtliche Wirkung mit sich.

Genau diese Klarstellung fehlt beim Prozeß des Übergangs in die dritte Stufe der Währungsunion.
Genau diese Klarstellung verlangen wir in unserem Antrag, nicht mehr und nicht weniger.

Wird die Zusage, daß die Mitgliedsstaaten spätestens noch in diesem Jahr erklären würden, eine automatisch rechtliche Wirkung sei mit der obigen Klausel in Artikel 109j nicht beabsichtigt, verweigert, müssen wir von einem gewollten Automatismus sprechen.

Meine Damen und Herren,
eine besondere Bedeutung kommt auch der Bewertung des Reifegrads der Währungsunion zu, der an den Konvergenzkriterien gemessen wird.
Diese werden immer wieder herangezogen, um den angeblichen Stabilitätscharakter der Währungsunion zu untermauern. Hier gilt:
Die Konvergenzkriterien halten nicht, was die zuständigen Politiker uns versprechen.

Die Kriterien sind keine Garantie für eine stabilitätsorientierte Währungsunion.
Denn eine genaue Betrachtung zeigt beträchtliche Beurteilungsspielräume, ja sogar Unsicherheit darüber, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wer in die Währungsunion eintreten kann.

Grundlage für die Beurteilung der Konvergenzkriterien sind die Länderberichte der Kommission und des Währungsinstituts.
Dabei sind weitere Kriterien zu berücksichtigen, zum Beispiel die Entwicklung des Ecu, die Integration der Märkte, der Stand der Leistungsbilanzen. Welche Rolle diese Kriterien im Verhältnis zu den vier harten Kriterien spielen, bleibt völlig offen.
Sogar die angeblich harten Kriterien sollen zusätzlich noch bewertet werden. Doch jede weitere Bewertung eröffnet einen subjektiven Entscheidungsspielraum.

Damit ist eine fast beliebig auslegbare Formulierung für die Erstellung jener Berichte gegeben, die Grundlage für die Entscheidung sind, wer in die Währungsunion eintritt.

Das unverdächtige Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sagte:
Einige der eher zur Verletzung der Konvergenzkriterien neigenden Mitgliedsstaaten sehen in einer WWU-Teilnahme von Anfang an einen ökonomischen Vorteil und betrachten dies als Prestigesache. Sie werden alles daransetzen, daß die verbindliche Interpretation der Kriterien so weich wie möglich ausfällt, und sie werden versuchen, die anstehende Definitionsentscheidung so zu beeinflussen, daß der statistische Ausweis die eigene Lage schönt.

Es kann also nicht deutlich genug gesagt werden:
Die Konvergenzkriterien liefern nur Anhaltspunkte für die Auswahl der Teilnehmerländer.
Sie sind keine Beitrittsbedingungen, sie haben rechtlich keinen bindenden Charakter.

Es ist zu befürchten, daß die Auswahlentscheidung mit qualifizierter Mehrheit der Staats- und Regierungschefs rein politischer Natur sein wird, ohne Rücksicht auf volkswirtschaftliche Auswirkungen und sonstige Folgen. Das bestätigt der ehemalige EG-Kommissar, das heutige Direktoriumsmitglied der Bundesbank, Peter Schmidhuber, der ausführte:

Wenn die 15 Mitgliedsstaaten mit qualifizierter Mehrheit darüber abstimmen, wer an der dritten Stufe teilnimmt, wird es wohl nicht ohne Kompromisse, bilaterale Deals und taktische Allianzen abgehen.
Meine Damen und Herren, dieser Satz bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen und Warnungen. 



Abg. Kurz CDU: ... Was Herr Krisch eben abgeliefert hat, ist ein ganz zentraler Angriff auf die Idee der Europäischen Währungsunion. ... Was die Republikaner .... erreichen wollen, ist ... Verunsicherung in der Bevölkerung und das Ausstreuen von Ängsten vor einer neuen Währung. .... ....mehr als zwei Drittel unserer Exporte gehen in die europäischen Länder.

Das stimmt schon seit 1920.
Und wir sind der größte Importeur.
Deshalb sind für unsere Nachbarn deren Lieferungen an uns noch bedeutender als für uns die Exporte an unsere Nachbarn! 

Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. Wettstein.
Abg. Wettstein SPD:
... diese harten Stabilitätskriterien erfüllt zur Zeit nur Luxemburg. .... sind selbst Deutschland und Frankreich nicht mit dabei ....  Wenn wir uns den Bundeshaushalt ansehen, stellen wir fest, daß sich dieser auf höchst tönernen Füßen befindet....
.... würde ich ... begrüßen, wenn der Herr ... Wirtschaftsminister eine Aussage darüber treffen würde, ob er .... noch an seiner Forderung festhält, daß vor Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion eine Volksabstimmung stattfinden solle....


Stellv. Präsident Birzele: Das Wort hat Herr Abg. Dr. Hildebrandt.
Abg. Dr. Hildebrandt Bündnis 90/Die Grünen:
Bekanntlich erfüllt die Bundesrepublik die Stabilitätskriterien von Maastricht nicht. .... was wäre, wenn nur einige Staaten den Euro einführten   ...
Die Konsequenz wäre, daß Sie .... die Vermeidung von Währungsturbulenzen oder Abwertungsdruck auf dem deutschen Markt, nicht erreichen würden, weil Märkte wie Spanien und Italien draußen blieben. ....
Der Abwertungsdruck ist gerade aus den anderen Ländern groß.
Das heißt, Sie erreichen alle Ziele, die Sie nennen, mit dieser Währungsunion nicht, und Sie verschärfen eine Situation, die für die europäische Einigung verhängnisvoll ist....


Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Freudenberg.
Abg. Dr. Freudenberg FDP/DVP:
Der hier gegenständliche Antrag der Republikaner .... beabsichtigt, Sand in das Getriebe der Einführung des Euro zu bringen
Weshalb ist die Verschiebung der Währungsunion unseriöse Politik?
Erstens:
Eine Verschiebung der Währungsunion .... ist geeignet, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland in Europa und der Welt schwer zu schädigen ....
Zweitens:
Es gibt keine vernünftige Alternative. ....
Kein Kommentar notwendig


Stellv. Präsident Birzele: Ich erteile Herrn Wirtschaftsminister Dr. Döring das Wort.
Wirtschaftsminister Dr. Döring: ....Zum Antragsteller, an die Republikaner:
Wer die Währungsunion so bekämpft wie Sie, begeht mehrere Fehler auf einmal. ....
Wer sich so gegen die Währungsunion stellt, wie Sie ...., stellt sich gegen Arbeitsplätze in Baden-Württemberg.
Das ist das Verwerfliche an Ihrer Kampagne, die Sie hier betreiben. .....
Es ist eine unmögliche Politik, daß Sie fortgesetzt versuchen mit den Ängsten der Bevölkerung Politik zu machen. ....
Das empfinde ich als elend und das ist abzulehnen.
Ich halte das .... katastrophal.
.... Es gibt kein Bundesland, das so wie Baden-Württemberg auf die Währungsunion und auf die Europäische Union angewiesen ist.


Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. Krisch.
Abg. Krisch REP:
Wer den Begriff Rabulistik noch nicht kennt, den bitte ich, sich an die Reden meiner Vorredner zu erinnern.
Mit Gewalt soll eine politische Entscheidung durchgedrückt werden ohne Rücksicht auf Folgen für Wirtschaft und Arbeitsplätze.

Herr Minister Döring, garantieren Sie Ihre Versprechungen mit Ihrem persönlichen Vermögen.
Dann wären Sie glaubhaft - nur dann.

Jeder Staat, der auf die Währungshoheit verzichtet, verzichtet auf eigene Wirtschaftspolitik und kann den Wohlstand des eigenen Landes nicht mehr sichern.

Vor kurzem fand in Prag eine wichtige Konferenz statt mit Politikern aus Tschechien, Polen, den USA und England, und alle warnten vor einem Handelskrieg als Folge der Währungsunion.
Amerikanische Politiker warnen vor einer Gefährdung der atlantischen Allianz. All das verschweigen Sie.

Die Unredlichkeit der Eurogeld-Befürworter zeigt sich am Verschweigen der Auswahlverfahren zur Teilnahme an der Währungsunion.
Denn für die qualifizierte Mehrheit benötigt ein Land nach Artikel 148 des EG-Vertrags 62 von 87 Stimmen.
Die Sperrminorität beträgt 26 Stimmen.
Die derzeit noch am weitesten von der Erfüllung der Kriterien entfernten Länder Griechenland, Italien, Portugal und Spanien haben gemeinsam 28 Stimmen, also die Sperrminorität.
Sie können die Entscheidung über die Teilnahme an der Währungsunion auch für jene Teilnehmer, welche die Kriterien erfüllen, blockieren.
Diese Verhandlungsmacht werden mindestens -- mindestens! -- diese vier Länder benützen, um eine Aufweichung der Kriterien durchzusetzen, wie es hier schon angedeutet wurde, damit sie ebenfalls an der Währungsunion teilnehmen können.

Oder die Länder mit der Sperrminorität könnten sich die Einwilligung zu einer kleinen Währungsunion, also ohne eigene Teilnahme, durch Aufstockung des Kohäsionsfonds abkaufen lassen.
Diesen politischen und finanziellen Preis muß dann in erster Linie wieder die Bundesrepublik bezahlen.

Dann würde sich ein skandalöser Vorgang bei den Verhandlungen zum Maastricht-Vertrag wiederholen, als sich die Mittelmeerländer ihre Zustimmung zum Vertrag mit der Einrichtung eben dieses Kohäsionsfonds bezahlen ließen.

....  die deutsche Politik hat sich mit der Kombination von Konvergenzkriterien und starrem Terminzwang in eine Sackgasse begeben.

Eine strikte Anwendung der Stabilitätskriterien -- das wurde schon gesagt -- führt zu einem zu kleinen Teilnehmerkreis und damit der Gefahr wirtschaftlicher und politischer Spaltung Europas.

Eine pragmatische Auslegung der Kriterien gefährdet ebenfalls die Stabilitätsgemeinschaft.

Bekommen wir aber eine einheitliche Währung in Europa, dann muß diese stabil sein, soll Europa politisch erfolgreich werden.

Deshalb ist eine Verschiebung der Währungsunion deren Scheitern auch von Befürwortern des Euro-Geldes vorzuziehen. Eine Verschiebung würde verhindern, daß wirtschaftliche Hypotheken die Währungsunion von Beginn an belasten, mit der Folge ernsthafter, politischer Instabilitäten.

Auch wenn das von uns abgelehnte Euro-Geld eingeführt wird, wenn die D-Mark vernichtet wird, auch dann gilt:
Nur eine stabile Währung sichert unsere Wirtschaft und damit unsere Zukunft.

Dafür müssen wir uns alle einsetzen. Das ist die Aufgabe gewählter Volksvertreter.
Wegen der Bedeutung dieser Frage beantragen wir die weitere Behandlung im zuständigen Ausschuß.


Im Wirtschaftsausschuß wurde der Antrag der Republikaner
von CDU,
von SPD,
von FDP und
von Grünen abgelehnt.
Da stellt sich die Frage:
Welche Fraktion handelt nach Grundgesetz, Artikel 56?
Antwort:
im Landtag von Baden-Württemberg nur die Republikaner.

Weitere und ausführlichere Informationen sind der Broschüre
"Die Europäische Währungsunion",
Drucksache eur.70103 der Landtagsfraktion Die Republikaner zu entnehmen.
 
 
Weitere Information von der Landtagsfraktion 
Die Republikaner
Haus der Abgeordneten
70173 Stuttgart 
Tel. 0711/2063922 
 Fax. 0711/2063395