Landtag von Baden-Württemberg
11. Plenarsitzung TOP 1 Aktuelle Debatte Auswirkung der Auseinandersetzung über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle Redebeitrag des Abgeordneten Wolf Krisch Republikaner Es gilt das gesprochene Wort |
Muß die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gekürzt werden oder nicht?
Schon immer wurde die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Fortzahlung des Gehalts im Krankheitsfalle bis zur Dauer von 6 Wochen als Fürsorgepflicht des Arbeitgebers angesehen.
Die Regelung des Lohnfortzahlungsgesetzes, die Existenz des Arbeiters
im Krankheitsfalle durch Fortzahlung des Lohns zu sichern, ist aber auch
als Teil unserer gegenwärtigen Sozialstaatsordnung zu betrachten."
Mit diesen Worten wurde das Lohnfortzahlungsgesetz vom 25. Juli 1969
- vor einem viertel Jahrhundert - begründet.
Damals galt die Lohnfortzahlung - ich zitiere „als ein gesellschaftspolitisches
Teilgebiet der Sozialpolitik".
Das muß auch heute noch gelten!
Doch heute wird dieses grundlegende sozialpolitische Ziel, welches nach
damaligen Gesetzeserläuterungen - ich zitiere wieder
„der Lebenswirklichkeit in einem modernen Industriestaat entspricht",
ernsthaft in Frage gestellt - und das ist kein Zufall.
Neben der Internationalisierung der Wirtschaft,
neben der Masseneinwanderung - ob offen oder versteckt - in unser eng besiedeltes
Land
ist es vor allem die falsche Entscheidung
für die Einführung der Eurowährung, das „Leiden wegen Maastricht",
die zum Sozialabbau in unserem Lande führt.
Meine Damen und Herren der SPD, sie sollten bei Ihrer parlamentarischen
Arbeit darauf achten, nicht zu den ewig gestrigen zu werden.
Die heutige Debatte hat unsere Fraktion doch schon vorweggenommen mit
unserer Großen Anfrage vom 28. August 95.
Sie haben wohl schon vergessen, daß Ihre eigene Ministerin auf
unsere Fragen hin antwortete ich zitiere
„Zwar stellt die Lohnfortzahlung einen nicht unerheblichen Kostenfaktor
dar, doch darf der Beitrag der Lohnfortzahlung zum sozialen Frieden in
der Bundesrepublik Deutschland, der wiederum einen wichtigen positiven
Standortfaktor darstellt, nicht unterschätzt werden." Ende Zitat.
Doch nur ein halbes Jahr nach dieser Aussage ist von diesem sozialen
Frieden keine Rede mehr.
Die Durchsetzung der Maastricht Kriterien,
der Konvergenzkriterien zur Einführung der Eurogeld Währungsreform
werden von Ihnen, den 4 im Bundestag vertretenen Fraktionen doch gleichermaßen
befürwortet - ohne Rücksicht auf die Folgen.
Ohne Rücksicht auf die Arbeitnehmer,
ohne Rücksicht auf die Rentner unseres Landes.
Sie sind sich da einig mit den Managern der Industrie. Beispiel
Mercedes:
Diese Firma hat 40 lange Jahre das besondere Wohlwollen aller Landesregierungen
genossen, wurde gehätschelt und gepflegt, bekam viele Wohltaten zu
spüren.
Mercedes nahm dies alles vorbehaltlos an. Bis es sich plötzlich
zu lohnen schien, zum Nachteil des Landes die Wohltaten anderer Staaten
anzunehmen.
Und wie um zu demonstrieren, daß die heutigen Mercedes-Manager
Recht und Gesetz nicht mehr zu achten haben, wurde ein geltender Tarifvertrag
gebrochen und rücksichtslos die Lohnfortzahlung gekürzt.
Zu Recht hat hier die Gewerkschaft rebelliert, und wurde dabei von meiner Fraktion unterstützt.
Die Position unserer Fraktion zur Lohnfortzahlung war immer eindeutig und unterscheidet sich deutlich von den anderen Fraktionen dieses Hauses.
Wir stellen die Kürzung der Entgeltfortzahlung wie auch die Kürzung
anderer sozialen Leistungen - ob im Zusammenhang mit Renten oder mit der
Krankenversicherung oder in anderen Fällen -
wir stellen solche Kürzungen immer in einen Gesamtrahmen, und
damit in den Zusammenhang mit allen gesellschaftspolitischen Vorgängen,
die unser Gemeinwesen belasten.
Wir lehnen jede Form von Sozialabbau und damit
auch die Kürzung der Lohnfortzahlung so lange kategorisch ab, solange
in diesem Land ein massenweiser Zuzug von Armutsflüchtlingen zu Lasten
unserer arbeitenden Bevölkerung geduldet ja gefördert wird, ein
Zuzug, der mehrstellige Milliardenbeträge im Bundeshaushalt, in den
Länderhaushalten und in den Haushalten der Kommunen
verschlingt.
Wir lehnen eine Kürzung der Entgeltfortzahlung
kategorisch ab,
solange die Bundesregierung und diese Landesregierung
keine ökonomischen Regelungsmechanismen zum Schutz unserer heimischen
Wirtschaft vor wettbewerbsverzerrenden Strukturen und Regelungen schützt,
welche wiederum gefördert werden durch die Globalisierungstendenzen
und Internationalisierungstendenzen.
Wir lehnen jede Kürzung sozialer Leistungen und der Lohnfortzahlung kategorisch ab, solange Bundesregierung und diese Landesregierung mit der Unterstützung der Bonner Parteien an dem Konzept „Leiden für Maastricht" festhält, solange weit überhöhte Zahlungen an die EU geleistet werden, verursacht durch inkompetente Verhandlungsführung, also überhöhte Zahlungen von Steuergeldern, die im Haushalt aller drei Gebietskörperschaften fehlen, die ein Grund für Ihren Sozialabbau sind.
Wir lehnen jede Kürzung sozialer Leistungen kategorisch ab, auch wenn diese angeblich der Kürzung der Lohnnebenkosten dienen sollen und damit angeblich den Arbeitsplatz Deutschland wettbewerbsfähiger machen sollen, solange unsere Rentenkassen weiterhin mit Fremdleistungen in Höhe von mindestens 70 Milliarden DM belastet werden.
Ich verweise hier auf den Verbandstag des VdK am 13. September in Fellbach,
als der Herr Ministerpräsident - ja ich muß sagen, sich öffentlich
blamierte.
Er sagte dort, daß der Verlust von bald 400.000 Arbeitsplätzen,
daß jener Steuerausfall, der jetzt zur Haushaltsperre führte,
ich zitiere „eine für die
Politik nicht vorhersehbare Entwicklung" gewesen sei.
Und er behauptete, Fremdleistungen der Rentenversicherung seien
„vernachlässigbare Beträge".
Es muß wie eine Ohrfeige gewirkt haben,
als der VdK Präsident Hirrlinger das Gegenteil bewies, und damit
die Aussagen meiner Fraktion bestätigte.
Und deshalb:
Erst dann, wenn alle anderen Einsparmaßnahmen ausgelotet sind,
ich verweise auf die Zuwanderungsbudgets des Bundes, der Länder,
der Gemeinden,
erst dann, wenn auch die Vielzahl der Fördergelder für
eine Sozialpolitik de luxe gestoppt werden, die an die Kulturklientel und
Sozialklientel der 4 alten Fraktionen dieses Landtags fließen, zum
Beispiel über Parallelstrukturen im Bereich der sogenannten Flüchtlingshilfe,
erst dann und ganz am Schluß werden wir bereit sein, über Kürzung
sozialer Leistungen wie die Kürzung der Lohnfortzahlung zu reden.
Denn das ist nicht nur ein emotionales Thema.
Allein in Baden-Württemberg stiegen die Summen von 1985 mit 3,5
Mllrd. auf etwa 7 Mllrd 1994, oder auf 5% des Sozialbudgets.
Und auf über 50 Mllrd. 1994 bundesweit.
Daß die SPD regierten Länder an der Spitze stehen, höhere
Zahlungen zu leisten hatten als CDU regierte Länder, sei hier nebenbei
ohne weitere Wertung bemerkt.
Dabei ist der Krankheitsbegriff nicht einheitlich objetivierbar, denn
in den Krankenstand gehen viele komplexe Faktoren als Bestimmungsgrößen
ein, die im demographischen,
die im sozialstrukturellen und die im ökonomischen Bereich zu
suchen sind.
Unsere Große Anfrage von letzten August zu diesem Thema hat gezeigt,
daß gesamtgesellschaftliche Tendenzen berücksichtigt werden
müssen.
Es gibt eindeutig Mißbrauch an sozialen
Leistungen, auch bei der Lohnfortzahlung.
Mißbrauch, dem Vorschub geleistet wird
durch die
Entsozialisierung der Menschen,
oder durch egoistische bzw. hedonistische
Verhaltensweisen, welche ganz besonders in sogenannten multikulturellen
Gesellschaften ausgeprägt sind, sich gerade dort ausbreiten.
So schließt sich der Kreis:
Mißbrauch sozialer Leistungen durch einen Teil der Leistungsempfänger
ist für unsere Gesellschaft genauso schädlich wie das rücksichtslos
gewinnorientierte Verhalten der Manager eines Teils unserer Wirtschaft,
jener Manager, die eigenes Versagen vertuschen durch aggressives Verhalten
gegenüber der eigenen Belegschaft,
gegenüber jenen, die sich für den Aufbau unseres international
hohen Standards mindestens ebenso einsetzten wie die Nadelstreifenleute
in den Konzernspitzen.
Hier haben sich Teile der Industrie, speziell Mercedes, einen weit größeren Schaden durch den eigenen Vertragsbruch zugefügt, als es alle in dieser Zeit fällig gewordenen krankheitsbedingten Entgeltzahlungen hätten tun können.
Damit haben diese Manager auch dem Standort Baden-Württemberg geschadet.
Vielleicht wäre es Zeit, auch bei der Firma mit dem Stern an ein
Auswechseln jenes Namens zu denken, der schon beim Wechsel vom 11. zum
12. Landtag ausgewechselt wurde.
Weitere
Information von der Landtagsfraktion
Die Republikaner
Haus der Abgeordneten
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