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11. Plenarsitzung - 17.Okt. 96 - TOP 3 Dr.12/11/Dr.12/20
Anträge der Fraktion Die Republikaner Stabilitätspakt für Europa - und Geldpolitik in der Währungsunion Redebeitrag des Abgeordneten Wolf Krisch Republikaner Es gilt das gesprochene Wort. |
Dieser Tagesordnungspunkt umfaßt 2 Anträge meiner Fraktion,
die inhaltlich völlig verschiedene Themen behandeln.
Unser Antrag mit Dr.12/11 fordert Maßnahmen, um auf Dauer die
Verbindlichkeit der wichtigen Konvergenzkriterien zu sichern, und betrifft
die Budgetdisziplin der EU Mitgliedstaaten -
die gestrige Haushaltsdebatte zeigt, wie wichtig dieses Thema ist.
Ganz anders unser Antrag aus Dr.12/20, der sich mit der Europäischen Zentralbank befaßt, mit der erweiterten Beteiligung der nationalen Notenbanken, mit geldpolitischen Maßnahmen, mit Zinspolitik und mit dem Unterschied zwischen dem zentral ausgerichteten englischen Bankensystem bzw. dem dezentralen und bewährten deutschen Modell und der damit verbundenen Gefahr für die gesamte deutsche Bankenstruktur.
Verschiedener können zwei Anträge kaum sein.
Trotzdem haben Sie die gleichzeitige Debatte beider Anträge in
nur 5 Minuten erzwungen.
Es scheint, daß eine Mehrheit dieses Hauses keine Sachdebatte
über wichtige Detailfragen der von Ihnen forcierten Währungsunion
wünscht, ja diese Debatte verhindern will.
Ganz anders aber reagieren die Euroverlierer, die direkt betroffenen,
die sogenannten kleinen Leute, also die Mehrheit der Bürger unseres
Landes.
Diese Menschen wollen Information.
Der gegenwärtige Verlauf der Regierungskonferenz läßt uns in der Tat Schlimmes befürchten. Dies gilt insbesondere im Bezug darauf, was heute als "Stabilitätspakt für Europa" diskutiert wird. Ausgangspunkt dabei sind die unverbindlichen Bestimmungen des Maastrichter Vertrages, wenn es darum geht, eine solidarische Finanz- und Haushaltspolitik in der Währungsunion durchzusetzen.
Weder die im Artikel 104c EG-Vertrag niedergelegten Sanktionen noch die Bestimmungen im "Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit" garantieren wirksam eine erforderliche Haushaltsdisziplin der potentiellen Mitgliedstaaten über den Tag der Aufnahme in die Währungsunion hinaus.
Hier liegt doch das Problem.
Dies wird noch deutlicher, wenn man sieht, wie schwer es der Regierungskonferenz fällt, die Auslegung dehnbarer Begriffe wie "ausnahmsweise" oder "vorübergehende" Überschreitung der Defizitobergrenze präzise festzulegen.
Es ist ebenfalls zu erwarten, daß es nicht zu einer völligen
Automatik für das Greifen der Sanktionen gegen Defizite kommen wird.
Zwar wurde im September in Dublin eine Selbstbindung in der Haushaltspolitik
vereinbart. Doch es bleibt völlig offen, wie diese denn zu formulieren
ist.
Wir müssen befürchten, daß das Sanktionsinstrument zu einem politischen Kuhhandel im Rahmen einer Ministerratsentscheidung führen wird - und nicht zu unserem Nutzen.
Die Problematik des Artikel 104c EG-Vertrag wird schließlich darin
deutlich, daß über Höhe und über Verfahren einer Stabilitätseinlage
unter den EU-Staaten völlig unterschiedliche Vorstellungen bestehen.
Kommt es zu einem Stufenplan oder zu einer Sockellösung mit variablem
Teil der Zwangseinlage?
Wie steht es mit einer Obergrenze derartiger Zahlungen?
Denn dieses steht doch fest:
würden die Sanktionszahlungen für Staaten mit einem übermäßigen
Budgetdefizit übergebührlich hoch, dann wird die Glaubwürdigkeit
des gesamten Verfahrens der Sanktion in Frage gestellt.
Das schwerwiegendste Argument gegen eine fiskalpolitische Disziplinierung
sind jedoch die breit diskutierten Haftungsgrundsätze, englisch "Bail-Out"-Effekte.
Unter "Bail-Out" ist das Eintreten anderer Länder für die Überschuldung
eines einzelnen Staates zu verstehen.
Eine solche "Haftungsgemeinschaft" ist nach Artikel 104b EG-Vertrag,
die sogenannte "No-Bail-Out-Klausel", formal ausgeschlossen.
Doch dies ist keine Garantie, daß Bail-out durch diverse Hintertüren
nicht doch praktiziert wird.
Im Artikel 104b EGV wird Bail-Out ausgeschlossen,
im Artikel 103a Abs. 2 EGV praktisch doch wieder eingeführt.
Dort sind nämlich ausdrücklich gemeinschaftliche Hilfs- und Haftungsmaßnahmen in besonderen nationalen Krisensituationen vorgesehen.
Dies kann nach Ansicht von Wirtschaftsexperten schließlich dazu führen, daß eine einzelne nationale Schuldenkrise, die Krise eines einzelnen Staates in der EU Gefahren für die Stabilität der gesamten Währungsunion nach sich zieht.
Denn kommt es in einem verschuldeten Mitgliedsland zu einer ernsten Schuldenkrise, so fehlt in einer Währungsunion die heutige vorhandene und immer wieder praktizierte Methode, die Staatsschuld dieses Landes durch Inflation zu reduzieren.
Wobei wir zunächst annehmen - aber nicht wissen - die zukünftige Europäische Zentralbank verfolgt tatsächlich das Ziel einer Preisstabilität - so wie man es uns heute erzählt und versichert.
Der letzte Ausweg wäre in einem solchen Fall ein tatsächlicher staatlicher Kreditausfall. Kommt aber ein bedeutender Staat - nehmen wir um ein fiktives Beispiel zu nennen, Italien - bei einer Gesamtverschuldung von über 100 Prozent des Bruttosozialproduktes seinen Schuldverpflichtungen nicht mehr nach, so führt dies zu einem Zusammenbruch der Finanzmärkte in der Gemeinschaft. Denn die Geschäftsbanken und institutionelle Anleger sind in großem Umfange Kreditgeber des betreffenden Staates.
Zur Vermeidung einer solchen Finanzkrise würde einerseits der Druck
auf einzelne Staaten der Gemeinschaft - insbesondere auf Deutschland -
noch stärker, finanziellen Beistand zu leisten.
Andererseits könnte sich die Europäische Zentralbank einer
noch stärkeren Inflationsorientierung ihrer Geldpolitik nicht entziehen.
Wer hier meint, das kann nicht passieren, das ist Angstmache - der stelle
sich vor, die Separatistenbewegung in Italien gewinnt, das Land zerfällt
- und schon haben wir den geschilderten Fall.
Vor 5 Jahren hätte niemand die Tragik des ehemaligen Jugoslawiens
für möglich gehalten.
Vor Jahren hätte niemand den Zerfall der UDSSR auch nur angedacht.
In der Politik ist eben fast alles möglich.
Indirektes Bail-Out
Noch in anderer Hinsicht sind Konkretisierungen des Solidaritätsprinzips
geeignet, die Nicht-Haf-tungs-Klausel, die "No-Bail-Out-Klausel" zu untergraben.
Ich meine hier die Kohäsionspolitik im Rahmen der Strukturfonds
und der Europäischen Investitionsbank. Insbesondere durch kohäsionspolitische
Transferzahlungen werden bei defizitgefährdeten Ländern falsche
weil positive Bonitätsbewertungen geschaffen. Die Folge sind zusätzliche
Kredite zum Beispiel bei der Europäischen Investitionsbank.
Die Kohäsionspolitik hat für sich selbst genommen schon eine
dem Bail-Out vergleichbare Wirkung.
Und die Kreditwürdigkeit des Überschuldeten steigt paradoxerweise,
was wiederum zu weiterer zusätzlicher Kreditaufnahme führen wird,
die Überschuldung weiter verschlimmert.
Das umverteilende Transfersystem innerhalb der Währungsunion bewirkt
also für die beteiligten Länder eine höhere maximale Verschuldung
als ohne Transfersystem.
In diesem Zusammenhang müssen die Bestrebungen der wirtschaftlich schwachen Länder innerhalb der Europäischen Union, aber auch die Maßnahmen nach dem Delors-II-Paket gesehen werden, die Versuche, den Zentralhaushalt stetig auszudehnen und parallel hierzu ein interregionales Transfersystem mit einer festen Finanzausgleichsfunktion zu etablieren.
Länder mit einer unzumutbaren Defizitpolitik bekommen so Zugang zu externer Finanzierung, da die privaten Kapitalmärkte eine wie auch immer geartete Haftung durch die anderen erwarten.
Das ist eine gefährliche, stabilitätsgefährdende Situation, die von den Euro-Befürwortern bewußt verschwiegen wird.
Hier liegen ungelöste Probleme der Währungsunion, die mit
Sicherheit auch von der Regierungskommission nicht befriedigend gelöst
werden.
Auf weitere Bestimmungen der Artikel 104c Abs.9 und 104c Abs.11 möchte
ich hier nicht eingehen, da diese nur Empfehlungscharakter haben bzw. Veröffentlichungs-
oder Überprüfungsverpflichtungen vorsehen. Doch damit läßt
sich verantwortungsbewußte Haushaltsdisziplin nicht erzwingen.
Hier tickt eine Euro-Zeitbombe.
Unsere Fraktion fordert also:
Der EG-Vertrag ist im Bereich der Artikel 104c zu ergänzen, die
stabilitätspolitischen Ziele sind realistischer zu formulieren und
zu definieren. Denn mit einer wirkungsvollen Disziplinierung durch
den Kapitalmarkt ist im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion
in der jetzigen Ausgestaltung nicht zu rechnen.
Vor allem die Verschuldungsanreize werden erst nach dem Übergang zu einer einheitlichen Währung zum Tragen kommen - dann, wenn es zu spät ist.
Forderungen
Um das zu verhindern,
ist (1) die Konditionensetzung der Europäischen Investitionsbank
entsprechend dem jeweiligen Länderrisiko zu ändern bzw. zu ergänzen,
sind (2) die Strukturfondsmittel - also die Zahlungen an solche Länder
- bei übermäßigen Defiziten zu kürzen.
(3) Ein Verbot von Beistandshilfen für einen Mitgliedstaat mit
chronischen und übermäßigen Defiziten muß sowohl
Bail-Out-Vermutungen - also Erwartungen an die Hilfe Dritter - als auch
Verbesserungen der Kreditwürdigkeit, der Bonität dieses Staates
entgegenwirken.
Und schließlich muß (4) bei wiederholter und nachhaltiger
Verletzung der Budgetdisziplin der Ausschluß des betreffenden Landes
aus der Währungsunion als letzte Sanktionsmöglichkeit möglich
sein.
Parallel zu den fiskalischen Problemen wirft der Maastricht-Vertrag
ein geldpolitisches Problem auf. Das geldpolitische Instrumentarium kommt
nämlich gegenwärtig in Europa recht unterschiedlich zum Einsatz.
Eine durchaus zu erwartende weil von anderen Staaten befürwortete
Vereinheitlichung der Geldpolitik zu einem zentraleren Modell der Geldversorgung
würde für Deutschland nachhaltige und besonders negative Konsequenzen
haben.
Die bestehenden Finanzierungs- und Bankenstrukturen in Deutschland sind das Ergebnis eines über Jahrzehnte technisch weit entwickelten Modells der Geldmengensteuerung und Refinanzierungspolitik der Deutschen Bundesbank.
Hierin spielt die Basis-Refinanzierung mittels Wechselrediskont- und Lombardgeschäften der Geschäftsbanken eine äußerst wichtige Rolle.
Mit dem Maastricht-Vertrag soll dieses dezentral ausgerichtete und instrumentell differenzierte geldpolitische System auf dem Altar einer zentralen Offen-Markt-Politik geopfert werden.
Den Euro-Befürwortern scheint dies entweder nicht bewußt zu sein - oder es ist beabsichtigt. Das wäre ein Skandal, ein Betrug an den Bürgern und Wählern.
Denn würde unser dezentral ausgerichtetes Geldversorgungssystem
zugunsten einer einheitlich-zentralen Offen-Markt-Politik abgelöst
oder verlöre es auch nur quantitativ an Bedeutung, so hat dies eminente,
weitreichende Auswirkungen auf unser Bankensystem.
Müßte sich nämlich dieses an ein neues, zentral ausgerichtetes
geldpolitisches Instrumentarium anpassen, so wäre dies mit einem Bedeutungsverlust
für Deutschland als Banken- und Finanzplatz verbunden, mit allen negativen
Folgen für unsere Wirtschaft.
Die zentrale Ausgestaltung der Geldpolitik der europäischen Zentralbank wird daher aus deutscher Sicht nicht wettbewerbsneutral sein. Da kleinere Banken nicht ständig am Geldmarkt aktiv sein können, wird eine Rückführung bei der Basisrefinanzierung zu einer Veränderung der Bankenlandschaft führen, in der langfristig nur die Großbanken überleben können.
Wollen Sie das - Sie, die Sie diese Entwicklung befürworten?
Dann sagen Sie es jetzt, für Jedermann hörbar.
In diesem Zusammenhang sind wir es auch Leid, uns von der Wirtschafts- und Währungsunion immer wieder eine Fusionsdiskussion auch im Bankensektor aufzwingen zu lassen.
Inflationsziel und Europäische Zentralbank
Schließlich zeichnet sich ab, daß sich die Geldpolitik nicht
wie bisher an einem Geldmengenziel, sondern an einem Inflationsziel orientiert.
Das entspricht doch zumindest teilweise der Aufgabe des Ziels der Geldwertstabilität.
Ein weiteres kommt hinzu:
Die Beschwörung einer Stabilitätsgemeinschaft wird in den
Augen der Bürger über lange Zeit nur noch die Qualität von
"guten Vorsätzen" haben.
Die Mitglieder des Europäischen Zentralbankrates werden anderen
Anreizen unterliegen als die Mitglieder des Bundesbankdirektoriums.
Die europäische Zentralbank wird mit einer anderen öffentlichen
Meinung im Hinblick auf das Stabilitätsziel konfrontiert, als die
Bundesbank.
Die Neigung, angesichts konkurrierender wirtschaftspolitischer Ziele
eine höhere Inflationsrate in Kauf zu nehmen, ist damit ganz real
gegeben, da hilft alles Wunschdenken der Europhilen nichts.
Mit steigender Arbeitslosigkeit wird dieser Gesichtspunkt zunehmend an Bedeutung gewinnen. Da es aber ein "Europäisches Volk" nicht gibt und die Problemlagen unter den EU-Staaten sich zumindest graduell unterschiedlich gestalten, muß davon ausgegangen werden, daß sich jedes Mitglied des Europäischen Zentralbankrates in erster Linie an der nationalen öffentlichen Meinung seines Heimatlandes orientiert.
Die unterschiedlichen Interessen der nationalen Entscheidungsträger
sind somit der entscheidende Gesichtspunkt, der in der Praxis einer stabilitätsorientierten
Geldpolitik entgegensteht.
Im Interesse der Beibehaltung eines dezentralen Bankensystems und der
Stärkung der Geldwertstabilität ist es für uns unerläßlich,
im Maastricht-Vertrag, über die bisherigen Bestimmungen hinaus, einen
dezentralen Einsatz der geldpolitischen Maßnahmen festzuschreiben,
eine erweiterte Beteiligung der nationalen Zentralbanken beim Einsatz des
geldpolitischen Instrumentariums vorzusehen.
Meine Damen und Herren, unsere Fraktion fordert mit unseren Anträgen das, was auch von Wirtschaftsexperten und Verbänden auf breiter Basis gefordert wird.
Wir fordern einen rechtsverbindlichen Pakt zu mehr Stabilität in einer Wirtschafts- und Währungsunion.
Ich möchte hier ganz ausdrücklich auf die "Petersberger Erklärung"
hinweisen, in der sich die führenden Wirtschaftsverbände von
Industrie, Handel und Banken folgendermaßen geäußert haben:
"Unerläßlich ist der Abschluß eines Stabilitätspakts,
der die teilnehmenden Länder zu einer dauerhaft stabilitätsorientierten
Finanzpolitik verpflichtet, weil das herkömmliche Haushaltsüberwachungsverfahren
der EU hierzu nicht ausreicht. Dieser Stabilitätspakt muß vor
Beginn der EWU unter Dach und Fach gebracht werden."
Dasselbe gilt für die Ausgestaltung der geldpolitischen Maßnahmen.
Und genau das ist das Ziel unserer Anträge.
Ich beantrage die weitere Behandlung unserer Anträge im zuständigen
Ausschuß.
Die Anträge wurden an den Wirtschaftsausschuß überwiesen
Der Redner der CDU bezweifelte den Rückgang der Exportüberschüsse
mit der Begründung "das könne mangels einer einheitlichen Währung
in Europa doch gar nicht festgestellt werden" (die Zahlen stammen vom statistischen
Bundesamt !!).
Der Redner der Grünen bezeichnete die Forderungen nach eine Währungsstabilität
als, Zitat "DM-Fetischismus".
Der Redner der Republikaner verwies nochmals darauf, daß bestehende
Verträge infolge der Beistandsverpflichtung durch die anderen Staaten
der EU nach Artikel 103a Abs.2 ein Anreiz für verschuldete Staaten
sei, sich an keine Budgetdisziplin zu halten und weiter Schulden zu machen.
Nur eine dauerhafte finanzpolitische Disziplin könne eine stabile
Währung sichern.
Der Antrag der Republikaner
zur Verbesserung bestehender Verträge wurde
von SPD, CDU, FDP und Grünen abgelehnt
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Weitere
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