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13. Plenarsitzung 14. November 1996
TOP 7 Dr.12/96 12/598
Bericht über die Europapolitik der Landesregierung Redebeitrag Wolf Krisch Republikaner Es gilt das gesprochene Wort |
Noch nie seit 1945 wurde ein Vertrag geschlossen von größerer Bedeutung als der Vertrag von Maastricht mit seinen Folgeverträgen.
In seiner Konsequenz und in seiner Bedeutung hat dieser Vertrag sogar weitergehende Folgen als alle Vorgänge im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung.
Es ist die Aufgabe der Landesregierung, dem Landtag alljährlich
einen Bericht über die Europapolitik der Landesregierung vorzulegen.
Dieser Bericht hat naturgemäß die Arbeit der Landesregierung
im Bundesrat und, damit verbunden, auch Bundestagsinitiativen zu umfassen.
Unter all diesen Gesichtspunkten muß ich den vorliegenden Bericht
als
ungenügend, als unbrauchbar und nicht der Aufgabe gerecht bezeichnen,
und ich begründe das.
Ich begründe das mit dem Ablauf der gestrigen Debatte.
Denn es hat sich gezeigt, daß einem Teil der Abgeordneten wesentliche
Zusammenhänge in der europäischen Gesetzgebung immer noch unbekannt
sind.
Genauso unbekannt wie die Folgen des Vertrags von Maastricht auf unsere
Wirtschaft.
Als 1992 über die Zustimmung zum Vertrag von Maastricht debattiert wurde, haben alle Verantwortlichen uns einen Zuwachs an Arbeitsplätzen versprochen.
Tatsächlich ist unser Exportüberschuß in die EU in wenigen
Jahren um 50 % gesunken.
Tatsächlich haben sich unsere Zahlungen an die EU verdoppelt.
Tatsächlich haben wir etwa 500.000 Arbeitsplätze verloren.
Tatsächlich wurden weit über 200 Milliarden von deutschen
Unternehmen im Ausland investiert.
Es wäre Aufgabe dieses Berichts gewesen, den Landtag zu
unterrichten, warum all das geschehen ist.
In der gestrigen Debatte erwähnte ich die komplexen Zusammenhänge
zwischen der EU-Kommission und Lobbyisten der Mineralölindustrie.
Und ich verwies auf die Gesetzgebungspolitik der EU-Kommission, welche
in einem Artikel 5 der neuen Richtlinie die Bundesrepublik zwingen wird,
Produkte aus Mitgliedsstaaten der EU zu importieren.
Zu importieren auch dann, wenn diese Produkte nicht den in der Bundesrepublik
geltenden höherwertigen Normen und Vorschriften entsprechen.
Warum sollte die Mineralölindustrie unserem Minister nicht zustimmen, wenn sie diese Möglichkeit von der EU-Kommission erhält, deutsche Vorschriften zu umgehen - solche Versprechen sind kostenlos.
Hier wäre mehr und bessere Information vom Minister gefordert.
Und gerade hier zeigt sich ein Pferdefuß in der EU-Gesetzgebung.
Die Zwischenrufe der Abgeordneten am gestrigen Tag, auch während meiner Rede, haben gezeigt, daß den Zwischenrufern solche Fakten unbekannt sind.
Die Verantwortung hierfür trägt die Landesregierung und ihr mangelhafter Bericht, der diese Zusammenhänge nicht erläutert.
Ich bemängle am Bericht der Landesregierung, daß Ergebnisse der ab 1. August 96 von den Bundesressorts bei jedem EG-Vorhaben erforderlichen Subsidiaritätsprüfung dem Landtag nicht berichtet werden.
Ohne solche Informationen kann das Parlament keine fundierten politischen Entscheidungen treffen.
Zu kritisieren am vorliegenden Bericht sind auch die Kommentare zur
Deregulierungsgruppe, der Molitor-Kommission.
Völlig zu recht wird dort versucht, jene Teile der EU-Gesetzgebung
und jene Regelwerke, welche Arbeitsplätze in Deutschland
gefährden, welche unsere Wettbewerbsfähigkeit reduzieren,
zu verbessern.
Selbst die Landesregierung gesteht diese Fehler der EU-Regelwerke ein.
Aber während die Landesregierung und damit die mißinformierten
Abgeordneten oder die sich bewußt nicht informierenden Abgeordneten
dieses hohen Hauses in Plenarsitzungen ganz exakte Vorstellungen über
den Terminplan zur Einführung des Eurogeldes vortragen,
weiß niemand von Ihnen, wie, wann und in welchem Umfang diese
Deregulierung vorgenommen werden wird und soll.
Und offensichtlich ist Ihnen all das völlig gleichgültig.
Die gleichen Politiker, die Aussagen über die Stabilität
des Eurogeldes machen, geben zu, daß durch falsche europäische
Gesetzgebung Deutschland Wettbewerbsnachteile hat, daß unsere Arbeitsplätze
gefährdet sind.
Einen größeren Widerspruch kann ich mir nicht vorstellen.
Ich verweise schließlich auf die Tatsache, daß die EU
dem
Umweltschutz dienende steuerliche Maßnahmen als
Handelshemmnisse bezeichnet - als Handelshemmnisse.
Die EU-Gesetzgebung verbietet, für den Umweltschutz Steuern auf jene Produkte zu erheben, die schädliche Grenzwerte überschreiten, sobald es EU-Gesetze gibt, die Umweltschutzgrenzwerte festschreiben.
Der Skandal:
das gilt auch dann, auch dann, wenn die von der EU vorgegebenen
Grenzwerte niedriger liegen als die in der jeweiligen steuerlichen Gesetzgebung
vorgeschriebenen besseren Grenzwerte.
Und ich verweise ich auf die Ausführungen unseres Sprechers im ständigen Ausschuß, der bemängelte, daß deutsche Anliegen zum Stabilitätspakt zwar Absichtserklärungen enthalten, aber keine Lösungen, die eine ausreichende Umsetzung bewirkten und bewirken werden.
Die unscharfen Formulierungen solcher Absichtserklärungen und vor allem die mehrdeutigen Formulierungen der eigentlichen EU-Regelwerke werden erst in der Politischen Praxis die wirklichen negativen Auswirkungen zeigen - dann aber ist es zu spät.
Die gestrige Debatte hat es schon gezeigt: der vorliegende Bericht
der Landesregierung ist ungenügend -
er ist abzulehnen.
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