19 Plenarsitzung   20. Februar 1997   TOP 7-  Dr.12/195 
Große Anfrage der CDU 
Beitrag der Länder und Gemeinden zur Erfüllung der 
Eintrittskriterien in die Europäische Währungsunion 
Redebeitrag Wolf Krisch  Republikaner 
Es gilt das gesprochene Wort
 
Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Meine Fraktion hat gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode drei Anträge eingebracht, die sich mit dem Thema Maastricht und Europäische Währungsunion befaßten.

Und wir sind der CDU dankbar, daß die CDU dieses Republikanerthema aufgreift und daß mit der Fragestellung der CDU, mit der Antwort der Landesregierung unsere Thesen bestätigt werden.
Unsere Thesen lauten:
Der Vertrag von Maastricht ist miserabel formuliert, wurde zum Nachteil Deutschlands ausgehandelt.
Die geplante Währungsunion wird zu einer Verarmung unserer Bevölkerung, unserer Länder und unserer Kommunen führen.
Die Arbeitslosigkeit wird durch den Euro noch größer; es wird noch mehr Kapital aus Deutschland abfließen und zusätzlich wird sich die Einwanderung Arbeitssuchender in unser Land erhöhen.

Die Bonner SPD Fraktion hat gestern mit anderen Worten ähnliches gesagt, hat sich der Republikaner Position angenähert - dpa Meldung 4039.

Den Politikern im Bund und in Ländern sind all diese Fakten bekannt - doch nur unsere Fraktion spricht die Dinge aus und an.

Ich kann daraus nur den einen Schluß ziehen: die Bevölkerung wird systematisch und gezielt hintergangen und absichtlich falsch informiert.

Als Beleg verwende ich die Begründung der CDU Fraktion zu dieser großen Anfrage und die Antwort der Landesregierung.

Wegen der nur 5-minütigen Redezeit nur ein Beispiel:

Die Landesregierung behauptet in Drucksache 12/195, der Vertrag von Maastricht enthielte Regelungen zur Koordinierung der Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten, wonach diese verpflichtet seien, übermäßige Defizite zu vermeiden und behauptet in der Antwort, dies wäre explizit in dem dem Vertrag beigelegten Protokoll festgelegt und verweist auf Artikel 3 des Protokolls.
Diese Aussage ist sehr fragwürdig.

Die Vertragssprache in Europa ist französisch oder englisch.
Vergleichen Sie die Originalfassungen der Verträge und Sie werden bestätigen:  jeder gute Jurist kann zwischen der französischen und zwischen der englischen Formulierung Unterschiede finden und interpretieren, die geeignet sind, je nach politischer Einstellung
die eine oder die andere Auslegung anzunehmen.

Alleine das Weglassen der deutschen Sprache aus dem Vertrag von Maastricht kostet Deutschland viel Geld, ist Beweis für inkompetente Verhandlungsführung vor der Ratifizierung, und ist an sich schon ein Grund, den Vertrag abzulehnen.

Schließlich kann keiner von uns ohne juristische Fremdsprachenkenntnisse entscheiden, was wirklich rechtskräftig vereinbart wurde. Und bei verschiedenen Auslegungen und Meinungen gilt immer nur die Amtssprache, nicht die deutsche Fassung.

Trotz dieser Ungewißheiten wollen Sie in zwei Jahren die europäische Währungsreform, die Stufe 3 mit dem Euro einführen.
1992 haben 4 Fraktionen dieses Hauses gegen unsere Stimmen der Ratifizierung des Maastricht-Vertrages zugestimmt.

Doch erstmals im Juni 1996, vier lange Jahre nach der Ratifizierung hat der Bundesminister der Finanzen seine Vorstellungen zur innerstaatlichen Umsetzung von EG-rechtlichen Vorgaben zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite vorgestellt.

Die Konsequenz wird sein ein Eilverfahren unter Zeitdruck, hauruckartig wie die letzte Haushaltsberatung dieses Landtags, dessen Ergebnis dann so fehlerhaft sein wird wie der 97er-Haushalt der Landesregierung.

Wie wollen Sie Aufteilungsschlüssel zwischen Bund und Ländern festlegen, wenn laut Aussage der Landesregierung noch heute keinerlei abgesicherte Relationen der Haushaltsdefizite und Schuldenstände von Bund, Ländern, Kommunen und der Sozialversicherung für das Bruttoinlandsprodukt ausgewiesen werden können.

Wie wollen Sie Aufteilungsschlüssel festlegen, wenn alle bisher gemachten Aussagen auf unverbindlichen, überhaupt nicht abgesicherten Modellrechnungen basieren.

Wie können Sie dann die Verantwortung übernehmen, den unwiderruflichen Schritt in die Währungsunion zu gehen?

Sie verletzen mit Ihren Vorhaben eindeutig die wichtigste Vorschrift unseres Grundgesetzes:   Schaden vom deutschen Volk zu wenden, seinen Nutzen zu mehren.

Wie eigentlich definieren Sie ein verfassungswidriges Verhalten?
Und wer eigentlich handelt hier verfassungswidrig?

Das sollte sich auch Kollege Bepper überlegen, bevor er eine andere  Fraktion verleumdet und beleidigt. Das sollte sich aber auch der Sozialminister überlegen, der leichtfertig mit seinen Worten an den Kollegen Huchler seinen Amtseid in Frage stellte.

Und wer von den Eurobefürwortern -diesen Europhilen - hat sich schon einmal vergewissert, wie denn in Italien oder Spanien oder anderen EU-Mitgliedstaaten verfahren wird?
Manipulationen ist hier doch Tür und Tor geöffnet.

Wir können sicher sein, daß Deutschland wiederum der leidtragende sein wird.

Wenn das Bundesministerium der Finanzen im Jahr 1994 das Defizit der Gebietskörperschaften nach der Finanzstatistik rund 30 Milliarden Mark über der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung einstuft, dann ist das doch ein Hinweis, welch andere Bewertungen in Ländern mit völlig unterschiedlichen politischen und Finanzstrukturen zustande kommen.
 

Wir Republikaner haben 1992 vor der Ratifizierung des Vertrags von Maastricht Verfassungsklage eingereicht und
wir halten heute noch den Vertrag von Maastricht für nicht verfassungskonform.
Ich nenne als Beispiel die in der Drucksache von der Landesregierung zitierten Artikel 109, Absatz 1 - 4,  Grundgesetz und Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz.

Nun frage ich Sie von der Regierungsfraktionen und Sie von den anderen Fraktionen:
wann wurde schon einmal überprüft, ob andere Staaten vergleichbare Vorschriften in deren Verfassungen besitzen,
und wenn dies nicht der Fall sein sollte, wie sich das auswirkt auf die Verbindlichkeiten und Verpflichtungen der einzelnen Mitgliedstaaten und auf die Stabilität der Währungsunion im Ganzen?

Mit seinem Gutachten zur Bedeutung der Maastrichtkriterien für die Verschuldungsgrenzen von Bund und Ländern hat der wissenschaftliche Beirat darauf hingewiesen, daß Grundgesetz Artikel 109, Absatz 4 nur Grundsatzregelungen erlaubt.

Die diskutierten Aufteilungsinstrumente überschreiten den unbestimmten Verfassungsrechtsbegriff „Grundsätze" erheblich.
Deshalb sagt der Wissenschaftliche Beirat, zur Umsetzung der Maastrichtkriterien sei eine Änderung des Artikel 109, Absatz 2
und Absatz 3 Grundgesetz erforderlich.
 

Jede Koordinierung der öffentlichen Schuldenpolitik zwischen verschiedenen zwischenstaatlichen Ebenen in Deutschland wegen der Euro-Währungsreform führt zu weiterer Belastung der Kommunen.
Der Vertrag von Maastricht beeinträchtigt die kommunale Selbstverwaltung. Er führt zu einer dramatischen Einschränkung demokratischer Rechte.
Alle bisherigen Aussagen und Versprechungen der Europhilen zum Binnenmarkt und zu Maastricht sind inzwischen wie Seifenblasen geplatzt.

Sie von der CDU sollten deshalb, statt Schauanträge zu stellen, sich als Regierungsfraktion darum kümmern, sollten auch in parlamentarischen Initiativen dafür sorgen, daß endlich jene Daten und Unterlagen zur Verfügung stehen, welche für sachliche Entscheidungen von der Tragweite der Eurowährungsuni-on unbedingt unbedingt erforderlich sind.

Ich fasse zusammen und formuliere meine Meinung in einem Satz:
Bei Ratifizierung des Vertrags von Maastricht 1992 haben die Ratifizierer gegen damals rechtskräftige Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen, haben sich also verfassungswidrig verhalten.

Die Feinde unserer Verfassung sitzen demnach nicht auf der rechten Seite dieses hohen Hauses.
Nein,
rechts sitzen die Schützer und Bewahrer unseres Grundgesetzes.
 
Weitere Information von der Landtagsfraktion 
Die Republikaner
Haus der Abgeordneten
70173 Stuttgart 
Tel. 0711/2063922  
 Fax. 0711/2063395