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Debatten im Landtag:
Wettbewerb und Solidarität in der Krankenversicherung

Redebeitrag des Abgeordneten  Wolf  Krisch   Republikaner
36. Sitzung des 12. Landtags  TOP 8
Drucksachen 12/1378 und 12/2157


Rede Abg. Wolf Krisch
Zusammenfassung
Einleitung:  Die hier wiedergegebenen  Texte sind Auszüge  aus dem Redeprotokoll  des Landtags.
Es gilt das gesprochene Wort.

Abg. Krisch REP:  Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Politik beginnt stets mit dem Betrachten der Wirklichkeit - ein Satz von Kurt Schumacher.
Kurt Schumacher meinte damit Ursachenforschung und Problemanalyse und stellte klar, daß auch in der Politik ohne diese Vorarbeit keine Lösungen erzielt werden können.
Doch scheinbar - und das zeigt die heutige Debatte - war Kurt Schumacher seiner Zeit so weit voraus, daß er auch heute noch nicht verstanden wird.

Bei meiner letzten Debatte zum Thema "Arbeit für Sozialhilfeempfänger" habe ich diese Schumacher’sche These befolgt und im ersten Redeteil nur Problemanalyse und Ursachenforschung betrieben - und das auch so ausdrücklich gesagt.
Doch meine Aussage „nicht die Sozialhilfeempfänger, nicht Ausländer sind schuld an der Misere des Sozialsystems - Politiker sind schuld und deren falsche Entscheidungen“ -
bezeichnete der CDU Redner Repnik - so stand es auch in dpa - als „Hetze gegen Ausländer“ und selbst der Herr Minister stolperte kläglich.

So wiederhole ich:
Auch für Reden in diesem hohen Haus und um eine zutreffende Aussage machen zu können, ist immer diese von Kurt Schumacher eingeforderte Vorplanung und Prüfung erforderlich.
Und da stimmt es schon nachdenklich, daß innerhalb von 4 Wochen zum zweiten eine Plenardebatte stattfindet, bei welcher den Rednern die für einen sinnvollen Beitrag erforderliche Vorarbeit nicht möglich war - und zwar ohne jedes Verschulden der Redner.

Ich betrachte es als Mißachtung des Parlaments, wenn die CDU es zur Regel macht, Debattenthemen erst zum letztmöglichen Termin bekanntzugeben - und wenn dann auch noch der FDP-Huckepackpartner auf diesen Zug aufspringt.

In der heutigen Debatte bezieht sich die Landesregierung in der Antwort auf die Dr.12/2157 mit Datum vom vergangenen Freitag, den 5.12. auf ein Sondergutachten „Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung 2000“ und auf ein als „ausführlich“ bezeichnetes IGES Gutachten.
Diese Antwort der Landesregierung erhielten die Abgeordneten vor nur 40 Stunden! In dieser Zeit sich Gutachten zu beschaffen, diese auszuwerten und eine Debatte vorzubereiten, ist auch Abgeordneten unmöglich!
So werden Plenarsitzungen zur Farce.

Wenn dann die SPD der Meinung ist - das entnehme ich Ihren Zwischenrufen - man könne über Dinge reden, über die man sich keine Gedanken machte, dann urteilt die SPD nur über sich selbst. Den Zwischenrufern der SPD antworte ich mit Mayer-Vorfelder:
Hier redet sich scheinbar um so lockerer, je weniger Expertenwissen vorhanden ist“.

Zum Thema:  Im November gab meine Fraktion zwei Pressemitteilungen heraus.
Wir waren darin im Prinzip für eine Regionalisierung der Sozialkassen, aber mit ganz wesentlichen und hier und heute bisher noch nicht debattierten Unterschieden in der Sache.
Für eine Regionalisierung scheint zu sprechen der Zwang zu sparen in dann nicht mehr durch Finanztransfers geschützten Regionen, und der Zwang, aufgeblasene Leistungspakete zu kürzen -
aber was, wenn diese Leistungspakete schon jetzt an der unteren Grenze liegen - wer wagt denn das zu beurteilen?
Was, wenn schon alle Sparmaßnahmen verwirklicht wurden - wer wagt denn das zu verneinen?
Für eine Regionalisierung scheint die Wettbewerbsgleichheit unter den verschiedenen Kassen zu sprechen - denn eine AOK stellt sich bei Regionalisierung besser als jene überregionalen Kassen, die heute örtliche Schwächen durch Finanztransfer aus starken Regionen ausgleichen können.
Aber stimmt dieses Argument?
Und wenn ja - warum ist dann die AOK ebenfalls gegen die Regionalisierung?
Der Risikostrukturausgleich RSA gleicht unterschiedliche Mitgliederstrukturen unter den Kassen aus - ob regional oder bundesweit.
Ich erinnere: eine Kasse wie die TKK (Technikerkrankenkasse) zahlt jede 3. Mark an Beiträgen in den RSA - da wird der Begriff Wettbewerbsgleichheit schon sehr fraglich.
Für eine Regionalisierung scheint höhere Effizienz in der Gesundheitsversorgung zu sprechen - sollten die Argumente der Landesregierung zutreffen. Aber ist das der Fall?

Das kann heute niemand in diesem Haus beantworten. Doch gerade diese Fragen zu kommentieren ist der Sinn einer aktuellen Debatte. Da stelle mir die Frage, wem nützt die heutige Debatte - wer hat einen Nutzen davon?

Auch die Aussage der Landesregierung, die Untersuchung verschiedener Varianten des RSA würden zeigen, daß ein rein regionaler RSA den Wettbewerb innerhalb der Kassen eher fördert als ein bundesweiter RSA, kann ohne weitere Informationen weder abgelehnt noch angenommen werden.
Was ergäbe denn ein Vergleich Baden-Württembergs mit Thüringen oder Sachsen?
Und stimmen die Daten und Zahlen des Sozialministeriums - oder ist das Zahlenmaterial nach politischen Gesichtspunkten sortiert?

Ich verweise hier auf das Beispiel Stuttgart 21 oder auf die neue Messe Stuttgart, wo mit angeblich wirtschaftlichen und sachlichen Argumenten geworben wird.
Doch in Wirklichkeit handelt es sich dort um rein politische Entscheidungen, die schon getroffen wurden, bevor je ein Parlament sich damit befassen konnte - ob Stadtrat oder ob Region oder ob Landtag.
Jene Entscheidungen wurden getroffen von Leuten außerhalb des parlamentarischen Bereiches - welch ein Demokratieverständnis.
Wie ist es dann bei der Forderung nach einer Regionalisierung des RSA?

Unabhängig davon, wie schlecht sich Baden-Württemberg nach einem Länderfinanzausgleich stellt, unabhängig davon, wie weit Baden-Württemberg in den Jahren seit dem Vertrag von Maastricht wirtschaftlich abgesunken ist - die neuen Länder sind in einer noch schlechteren Position.

Entspricht es dann dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, diese Strukturunterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern zu mißachten - nur um des eigenen Vorteils willens?
Stimmen Aussagen des Sozialministeriums, das vorgeschlagene Modell 3 sei wirklich die eierlegende Wollmilchsau - und die dritte Stufe des Kompromißmodelles würde tatsächlich einen Einnahmeausgleich in den neuen Ländern gewährleisten?
Die von der Landesregierung als obligatorisch bezeichnete, also die als Zwangsregionalisierung geplante Beitragssatzkalkulation verlangt einheitlich abgegrenzte Beitragsregionen. Das sollen nach dem Willen der Modellersteller die Bundesländer sein.
Schafft das wirklich Wettbewerbsgleicheit und Chancengleichheit?

Die Landesregierung behauptet, dieses 3-Stufen-Modell der Landesregierung fördere die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zwischen den alten und neuen Bundesländern.
Nach den uns allen heute vorliegenden Unterlagen kann das weder verneint noch bestätigt werden - und wenn die Kollegen ehrlich sind, müssen Sie zugeben, auch Sie wissen keine Antwort.

Ganz energisch aber muß ich der Behauptung der Landesregierung widersprechen, eine weitere Regionalisierung in der GKV stärke und stabilisiere ein sich vereinendes Europa - welch ein Humbug.
Mit diesem Argument eröffnet die Landesregierung ein Thema, von der man besser die Finger weggelassen hätte - ein Thema, das wir mit unseren Pressemitteilungen zur Regionalisierung der Krankenversicherung vom 25. und vom 27. November schon angeschnitten hatten. (Kopien auf Anfrage durch die Fraktion Die Republikaner)

Der große Widerspruch in der Frage der Regionalisierung der Sozialkassen ist doch die Haltung der Mehrheit in diesem Hause zum Moloch Brüssel, zum Manipulator Europäische Union.

Hat denn Baden-Württemberg überhaupt die Erlaubnis aus Brüssel, solche Vorhaben selber zu entscheiden?

Wann verlangt Brüssel eine Globalisierung auch auf diesem Gebiet -
wann verlangt Brüssel denn das Gegenteil einer Regionalisierung, nämlich die Öffnung des RSA auf die ganze EU?
Schon Mosche Dajan sagte  „Was den Machthabern nützt, das wird geschehen“.
Und dann?

Das verfassungsrechtliche Problem ungleicher Beitragssätze in Deutschland wird durch Forderungen aus Brüssel nach gleichen Leistungen innerhalb der EU, aber mit unterschiedlichen und den Lebensstandards angepaßten Beitragssätzen unterlaufen werden.
Da bin ich mir sicher.  Denn das brächte den Manipulanten in Brüssel weitere Vorteile.

Die Währungsreform des Euro verlangt ein bisher weltweit noch nie dagewesenes Ausgleichs- und Finanztransfersystem, soll dieses Kunstgeld in den völlig anders gearteten Märkten Europas mit total unterschiedlicher Gesetzgebung auch nur einigermaßen funktionieren.

Die Zahler werden - wie immer bisher - die Deutschen sein. Für die Partner in der EU ist das sicher selbstverständlich - das haben die Deutschen bisher doch immer freudig und ohne jeden Widerspruch so gemacht - zahlen ohne anzuschaffen.
Dieser Widerspruch in Ihrem Verhalten - im Verhalten der Europhilen, die aber gleichzeitig die Befürworter einer Regionalisierung des RSA sind - der muß einmal deutlich angesprochen werden, muß deutlich gemacht werden.

Wer eine europaweite Umverteilung wegen der Währungsreform Euro zu unseren Lasten akzeptiert - dem kann keiner mehr glauben, wenn er gleichzeitig eine solche RSA Regionalisierung als „Stärkung der europäischen Einheit“ bezeichnet.
Das ist kein Widerspruch mehr, das ist offene Verhöhnung der Bürger dieses Landes.

Und auch dieser Widerspruch ist es, der mich hindert, Ihren Vorschlägen zu der von uns vor kurzem selber noch akzeptierten Regionalisierung des RSA heute zuzustimmen.

Zur SPD muß ausdrücklich gesagt werden:
bei Ihnen weiß Hinz nicht was Kunz will.
Hier stehen Sie und unterstützen die Pläne der Landesregierung -  und in Bonn bezeichnet Ihr Fraktionsvorsitzender alle Befürworter einer Regionalisierung als - Zitat Scharping - „Separatisten“.    Herr Maurer läuft Gefahr, durch seine Fehler die SPD-Fraktion ins bedeutungslose abrutschen zu lassen.

Ein Wort auch noch zu den Argumenten der Gegner einer Regionalisierung, zum Beispiel zu den Argumenten des Andreas Meusch vom Verband der Arbeiter-Ersatzkassen. Seine Argumente sind sehr ernst zu nehmen:

Was passiert mit dem Kur- und Bäderland Baden-Württemberg, wenn diese Regionalisierung entgegen den Vorhersagen der Landesregierung eben doch wesentliche Mehrkosten für die Beitragszahler verursacht?
Und dann rechnen Sie doch nach, wie groß die Verluste für Baden-Württemberg sind, die Ihr Plan verursacht.
Was kostet die Umsetzung der Regionalisierung - auch diese Frage ist nicht beantwortet.
Und was passiert, wenn die Altersstruktur in Baden-Württemberg in einigen Jahren schlechter ist als in anderen Bundesländern?

Da zitiere auch ich Manfred Zach und die Worte, die er den Präsidenten und den Staatsrat sagen läßt   „Ja vielleicht ist es so, aber vielleicht ist es auch nicht so“ -
und ich frage mich, wer im Ministerium voller Rührung antworten wird
„Oh, ich denke das trifft den Kern“
 

Zusammenfassung
Das war eine Debatte der CDU ohne Sinn und Zweck. Eine Debatte ohne Vorbereitung, eine Debatte ohne Ergebnis, eine Debatte, bei der von CDU und SPD, von FDP und Grünen gesabbert wurde - wenn man sabbern als Reden ohne Wissen bezeichnet.
Und trotzdem hat keiner der Redner dieser Fraktionen die fehlende Vorbereitungsmöglichkeit angemahnt.
Und dann die Überraschung: Ende Januar - wenige Wochen nach dieser Debatte - schwenkte die Landesregierung auf die Position der Republikaner ein.  So zeigt sich zum wiederholten mal:
Republikaner sind Vordenker - werden stets erst abgelehnt. Doch danach „findet die Landesregierung völlig neue Wege“ - und folgt unseren Anregungen.
Das ist die reale Politik.

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