Familienarmut in Baden-Württemberg
Redebeitrag des Abgeordneten
Wolf Krisch Republikaner
81. Sitzung des 12. Landtags
Antrag der Fraktion Die
Republikaner
Familienarmut in Baden-Württemberg
Drucksache 12/4670
Das Wort hat Herr Abg. Krisch.
Abg. Krisch REP:
Die Drucksache 12/4670 liegt Ihnen vor.
Sie enthält eine ausführliche
Stellungnahme der Landesregierung. Ich möchte deshalb auf diese Zahlen
und Informationen nicht eingehen, sondern das Thema etwas erweitern.
Im Evangelischen Gemeindeblatt für
Württemberg vom Februar wird auf eine Studie der Universität
Bielefeld hingewiesen. In dieser Studie wird festgestellt, Kinder
seien für ihre Eltern ein Armutsrisiko, denn 60% der Aufwendungen
für Kinder würden durch Steuervorteile und Kindergeld wieder
aufgefangen, der Rest nicht. Dazu muss man sagen: Steuervorteile kann es
für verarmte Familien nicht geben.
Sie werden sich also dadurch im Verhältnis
zu den anderen noch schlechter stellen.
Es wird auch festgestellt, dass Kinder
bis zum Abschluss ihrer Ausbildung die Eltern 150 000 DM kosten. Das
Statistische Bundesamt in Wiesbaden rechnet sogar mit 240 000 DM bis zum
20. Lebensjahr.
Das sind Beträge, die eine verarmte
Familie nicht aufwenden kann.
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP:
Es gibt noch höhere!)
Wir kritisieren zwar die Formulierungen
und die Wortwahl dieser Studie, denn Kinder kann man nicht unter fiskalischen
Gesichtspunkten diskutieren.
Aber eines der reicheren Länder dieser Welt hat einen wachsenden Anteil an Familien, die unter Arbeitslosigkeit und wachsender Überschuldung leiden, also unter Familienarmut, und stets sind die Kinder die Betroffenen.
So sollen in Deutschland 700 000 Heranwachsende
schon Sozialhilfeempfänger sein.
Man spricht von 100 000 Straßenkindern
in Deutschland.
Die Zukunftsperspektiven dieser Kinder
sind armutsbedingt sehr düster, und jede Regierung, die diese Entwicklung
zulässt, macht sich schuldig, meine Damen und Herren, und die Ökosteuer
verschärft dieses Problem.
Dass Einkommen und Besitzstand von Eltern
die Zukunftaussichten und die Berufsschancen der Kinder beeinflussen, zeigt
ein ganz einfacher Test.
Ich frage jetzt einmal nach den Nichtakademikern
in diesem hohen Haus sie sind absolut in der Minderheit, da erhebt sich
kein Widerspruch.
Jene, die nicht mal Abitur haben, sind
eine noch geringere Anzahl auch hier kein Widerspruch.
Das heißt doch, meine Damen und
Herren, wer unten anfängt, wer aus einer verarmten Familie kommt,
der
tut sich schwer im Wettbewerb mit jenen,
die durch sozialen Wohlstand der Eltern begünstigt sind.
Diesen verarmten Familien zu helfen
ist Pflicht und Aufgabe des Staates.
Jetzt sollten wir für unsere Debatte kurz definieren, was man eigentlich als Familie zu betrachten hat.
Die CDU hat sich auf ihrem Parteitag im
letzten Dezember eine neue Familienpolitik gegeben, Kollegin Blank. Da
kann man nur staunen, wie auch die CDU die Grundsätze der Gründer
ihrer Partei verlässt, wie Sie sich um Gruppen am Rand der Gesellschaft
kümmern und den Kern der Gesellschaft vernachlässigt.
Denn auch heute noch leben 80% aller Kinder
in intakten Familien mit Vater und Mutter.
Die
überwiegende Mehrheit unserer Bevölkerung betrachtet Familie
als Ehepaar mit Kindern und nicht als "Familie ist wo Kinder sind".
Aber seit Dezember 1999 gibt es
im Bundestag nicht eine einzige Partei, die grundsätzlich diese Mehrheitsmeinung
der Bevölkerung ungebrochen teilt.
Das Grundgesetz verlangt in Artikel 6 den
besonderen Schutz von Familie und Ehe.
Wenn aber jede Wohngemeinschaft mit Kindern
schon als Familie gilt, dann gibt es auch nichts besonders Schützenswertes.
Der vom Redner der FDP verwendete Ausdruck Patchworkfamilie zeigt,
wie weit der Auflösungsprozeß unserer Werte und unserer Gesellschaft
und der Familie von der Politik schon unterstützt wird.
Wenn Familie bestehend aus Mutter
- Vater - Kinder ersetzt wird durch den scheinbar von der Mehrheit dieses
Hauses unterstütztem Begriff "Familie ist wo Kinder sind"
- irgendwann vielleicht mit gleichgeschlechtlichen aber als "Eltern" bezeichneten
Erziehungsberechtigten - dann ist Artikel 6 GG nur noch Makulatur.
Politik braucht Visionen, und Gesellschaft braucht Ziele.
Werden Werte wie der Begriff Familie
ständig ausgehöhlt, dann ist es kein Wunder, wenn diese Werte
schnell wertlos werden.
Um dieser Erosion der Werte und der Erosion
der Familie entgegenzuwirken, hat die Fraktion Die Republikaner mit Drucksache
12/4795 im Januar einen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung
des Landes Baden-Württem-berg eingebracht.
Damit soll in Erweiterung des Familienschutzes
aus Artikel 6 des Grundgesetzes auch in der Landesverfassung klargestellt
werden, dass unter Familie stets der Traditionsbegriff, Mutter, Vater,
Kinder zu verstehen ist.
Mit dieser klaren Begriffsdefinition kann dann das Thema Familienarmut ernsthaft diskutiert werden.
Dauerarbeitslosigkeit
ist die schwerwiegendste Ursache der Familienarmut, und dass in einer solchen
Lage mit allen anderen familiären Problemen Alkoholmissbrauch häufig
vorkommt mit all den weiteren Folgen für die Familie, ist eine Tatsache.
Im Nachteil ist immer das Kind.
Deshalb hat der Staat die Pflicht,
hier zu helfen und nicht durch falsche Gesetzgebung Beispiel Ökosteuer
noch verschärfend einzugreifen.
( Abg. Zeller SPD: Sag einmal! Das ist absoluter Quatsch!)
Abg.
Krisch REP:
Kollegin Blank, Sie haben zwar durch Ihre
Ausbildung Frau Kollegin Blank, ich rede mit Ihnen; in Ordnung - sie
will nicht zuhören. Sie hat sich angegriffen gefühlt.
Tatsache ist, dass sie es schwerer hatte
als andere, die Dank wohlhabenderer Familien wie automatisch durch das
Studium gingen.
Ich weiß, wovon ich rede. Mit 14
Jahren stand ich schon am Schraubstock.
Im beruflichen Wettbewerb zu anderen,
die studiert haben, haben es die ganz von unten kommenden doch erheblich
schwerer.
Aber goldene Zeiten, wie Sie es hier schilderten,
Frau Kollegin Blank, für Familie in Baden-Württemberg - die gibt
es wohl nur im Märchen.
Tatsache ist zwar, Baden-Württemberg
steht besser als andere Bundesländer da.
(Zuruf der Abg.
Ingrid Blank CDU)
Aber die Tatsache, dass es bei uns jetzt
Straßenkinder gibt, die man früher nur von Südamerika kannte,
ist der Vorwurf, den wir an die Regierung weitergeben.
( Abg. Ingrid Blank
CDU: Die kommen zum Teil nicht aus armen Familien!)
Das Bundesverfassungsgericht sagt in seiner
Entscheidung vom Januar 1999:
Kinderbetreuung ist eine Leistung, die
auch im Interesse der Gemeinschaft liegt, und deren Anerkennung die Gemeinschaft
verlangt.
Der Entscheidung entsprechend gehört
über den sachlichen Unterhaltsbedarf von Kindern darüber hinaus
noch deren Betreuungs- und Erziehungsbedarf. Das muss zu einem einkommensteuerfreien
Existenzminimum gezählt werden.
Jetzt kommt der Punkt.
Arme Familien oder Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger
profitieren doch nicht von irgendwelchen Einkommen-steuerverbesserungen
und sind davon nicht tangiert.
In dieser schweren Situation dieser Familien
kommt die grün-rote
Bundesregie-rung, die sich als Regierung der kleinen Leute vorstellt, und
schlägt mit ihrem Ökosteuerprügel noch mehr auf diese Menschen
ein.
Gerade die das haben meine Vorredner
bestätigt sind von der Ökosteuer besonders betroffen.
Da fehlt der jetzigen Bundesregierung
soziale Verantwortung.
Sie von Grün-Rot
behaupten zwar, dass durch die Entlastung des Kindergeldes Mehrbelastungen
durch die Energiesteuer aufgewogen werden.
Doch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes
darf die Funktion eines Kindergeldes nicht darin liegen, besondere Belastungen
durch andere Steuern, sprich die Ökosteuer, zu kompensieren.
Meine Damen und Herren, wir haben versucht, mit Anträgen im Sozialhaushalt gerade Not leidenden und armen Familien zu helfen, und zwar mit kleinen und gerade deshalb machbaren und vom Lande durchführbaren Schritten.
Ein Vorschlag war die Förderung
von Betriebskindergärten.
Die Förderung von Betriebskindergärten
würde Müttern mit kleinen Kindern den Wiedereinstieg ins Berufsleben
erleichtern.
Die Nähe der Kinder zu berufstätigen
Müttern macht deren Berufstätigkeit möglich.
Die Praxis zeigt, dass das auch in Firmen,
die das praktizieren, keine nachteiligen Wirkungen hat, sondern dass die
Belegschaft dadurch im Gegensatz motiviert wird, höhere Erträge
erarbeitet.
Unser Antrag ist absolut frauen- und familienfreundlich
und wer hat es abgelehnt? Die Fraktion Grüne
und
die SPD.
(Abg. Roland Schmid
CDU: ...sind auch ausländerfeindlich!
Sie haben noch gar
nicht differenziert bis jetzt!)
Dass die CDU das auch abgelehnt hat, Herr
Schmid, ist eine andere Sache, das haben wir nicht anders erwartet.
Ein anderer Vorschlag von uns, Kollege
Schmid, war der Vorschlag des Elterngeldes.
Dabei haben wir definiert, dass jene,
die es, aus welchen Gründen auch immer, vorziehen, Kinder statt in
den Kindergarten zu schicken, diese alleine oder im Freundeskreis zu betreuen,
unterstützt werden.
Die Zielgruppe: sozial schwache Familien.
Hier hat die CDU in Sachsen nachgezogen,
mit einem vergleichbaren Vorschlag.
Stellv. Präsident Weiser: Herr Abg.
Krisch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Abg. Krisch REP: Nein, ich möchte
erst fertigmachen, dann kann Kollege Schmid seine Frage stellen.
Stellv. Präsident Weiser: Ja, aber
Ihre Redezeit ist um.
Abg. Krisch REP: Einen Schlusssatz noch,
der sich auf das Thema Alleinerziehende
bezieht.
All jene, die ausschließlich
zur Selbst-verwirklichung Kinder allein erziehend aufwachsen lassen, versündigen
sich an den eigenen Kindern, denn Kinder brauchen die Mutter, aber Kinder
brauchen auch einen Vater.
Es ist bewiesen,
dass Kinder mit nur einem Elternteil benachteiligt sind.
Sie sind benachteiligt in ihrer
Lebensqualität und sie sind benachteiligt an Wissen und Erfahrung.
Diese Kinder müssen sich im
Leben mühsam all jenes erarbeiten, was andere aus gesunden Familien
als selbstverständlich erleben. Kinder Alleinerziehender sind öfter
das Opfer von Armut.
Auch deshalb ist die Politik von
SPD und Grünen
sozialfeindlich.
Sie richtet sich gegen Ihr ursprüngliches
Wählerpotenzial, gegen die kleinen Leute.
Und diese Lücke werden wir
füllen.
Jetzt können Sie Ihre Frage stellen, wenn es der Herr Präsident gestattet.
Abg. Roland Schmid CDU: Herr Kollege Krisch,
darf ich davon ausgehen, dass Sie bei Ihren Ausführungen im Hinblick
auf den Familienbegriff von deutschen und ausländischen Familien gesprochen
haben? Das würde mich sehr interessieren, um in Zukunft Ihre Ausführungen,
die Sie hier machen, vor demselben Hintergrund zu sehen.
Abg. Krisch REP: Kollege Schmid, Sie dürfen.
( Abg. Roland Schmid
CDU: Das ist neu!)
Abg. Krisch REP: Familie ist Familie!
(Abg. Roland Schmid
CDU: Das merken wir uns, das prüfen wir dann!)