Debatten im Landtag:
Sanktionen der EU gegen Österreich

Aktuelle Debatte der Fraktion Die Republikaner
Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Rolf Schlierer
80. Sitzung des 12. Landtags



Einleitung
Die hier wiedergegebenen Texte sind Auszüge aus dem Landtagsprotokoll bzw. sind die Manuskripte der Debattenredner. Es gilt das gesprochene Wort.  Das vollständige Landtagsprotokoll ist abzurufen im Internet des Landtags (www.landtag-bw.de) oder erhältlich von der Fraktion Die Republikaner.


Stellv. Präsident Birzele:
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Aktuelle Debatte –
Auswirkungen der von 14 EU-Mitgliedsstaaten beschlossenen Strafmaßnahmen gegen Österreich auf die Europapolitik der Landesregierung – beantragt von der
Fraktion Die Republikaner
Ich erteile das Wort Herrn Abg. Dr. Schlierer

Abg. Dr. Schlierer REP:
Die Regierungsbildung am 4. Februar in Wien hat europaweit zu hysterischen Reaktionen geführt, auch in Deutschland, wo sich manche regelrecht überschlagen haben, um ein Schreckgespenst aus Österreich an die Wand zu malen.

Obwohl die neue österreichische Regierung eine geradezu entwürdigende Deklaration unterschreiben musste, wurde so getan, als ob der Leibhaftige vor der Türe stünde.
Der Schreckensruf „Haider ante portas“ gellte durch das Land, und was dabei sichtbar geworden ist, ist ein unglaubliches Ausmaß an politischer Heuchelei.

Was besonders schlimm ist, meine Damen und Herren, ist, dass offensichtlich auf maßgebliches Betreiben der Bundesregierung ein Boykott der 14 EU-Mitgliedstaaten gegenüber Österreich angezettelt wurde.
(Zuruf: Mit Recht!)
Mit dem Einpeitscher Joschka Fischer, von dem wir seit Monaten ein klares Wort zu Tschetschenien vermissen, wurde nun eine Quarantänemaßnahme gegen Österreich ins Leben gerufen.
Die bilateralen Beziehungen zwischen den 14 EU-Staaten und Österreich sollen eingefroren werden, und dieser Boykott-vorschlag, meine Damen und Herren, entbehrt nicht grotesker Züge. Da gibt es einen Außenminister in Belgien, der davon spricht, dass er seinen Landsleuten nicht mehr raten könne, in Österreich Ski zu fahren, weil das nach seiner Ansicht unmoralisch sei.
Meine Damen und Herren, ich wüsste gern, was es für eine Diskussion gegeben hätte, wenn ein deutscher Minister den Belgiern gegenüber erklärt hätte, es wäre wohl besser, wenn niemand mehr mit kleinen Kindern nach Belgien fahren würde.

Österreich, unser Nachbarland, wird zu einem Aussätzigenstaat erklärt.
Dieses Maß an Heuchelei, meine Damen und Herren, das dahinter steht, hat Berthold Kohler in der FAZ am 2. Februar dieses Jahres recht zutreffend wie folgt zum Ausdruck gebracht. Ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten:

Noch nie haben die Mitglieder der Europäischen Union mit einer solchen diplomatischen Härte und Geschwindigkeit wie in diesen Tagen reagiert. Nicht, als auf dem Balkan das Vertreiben und Morden begann, nicht wegen der Moskauer Vernichtungskriege in Tschetschenien und auch nicht wegen der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei.
Recht hat er. Das war es.
Die Maßstäbe selbst, die hier sichtbar werden, machen deutlich, worum es hier wirklich geht.
Es geht nicht darum, meine Damen und Herren, irgendwelchen Fehlentwicklungen etwas entgegenzustellen, sondern es geht darum, hier politisch in Europa in einer unverant-wortlichen Art und Weise Stimmung zu machen.
Im Übrigen wird ja wohl die Frage erlaubt sein, was es denn damit auf sich hat, dass die FPÖ in Österreich schon einmal mit den Sozialisten in einer Regierungskoalition war, und dass es nur wenige Wochen her ist, dass der ehemalige Bundeskanzler Klima sich noch bei Herrn Haider darum bemüht hat, eine Duldung einer SPÖ-Minderheitsregierng durch die FPÖ zu erreichen.
Dazu kann ich nur eines sagen:
Wenn das so ist, müssen diejenigen, die nun von Menschenrechten, die gefährdet seien, sprechen und alle anderen Fehlentwicklungen hier beschwören, sich selbst fragen lassen müssen, welche Maßstäbe sie haben.

Die Auswirkungen, meine Damen und Herren, dieses Boykotts, sind fatal.
Auch hier darf ich noch einmal auf den vorhin schon zitierten Artikel in der FAZ zurückgreifen.
Darin schreibt Herr Kohler sehr zutreffend, vor allem die Beitrittskandidaten im Osten würden sich fragen, ob die EU tatsächlich aus Sorge um die Demokratie den Wählerwillen der Österreicher missachte, oder ob es vielmehr darum gehe, den kleinen Länder die politischen Vorstellungen der Großen aufzuzwingen.

Die Mittel- und Osteuropäer können sich noch gut an die Breschnew-Doktrin erinnern;  sie sind nicht erpicht auf eine neu Doktrin aus Brüssel.
Genau das ist das Problem.

Damit, meine Damen und Herren, stellt sich für uns hier in Baden-Württemberg folgende Frage:
Wie geht es denn mit der Europapolitik der Landesregierung weiter?
Wir haben die Internationale Bodenseekonferenz.
Wir haben die Arge ALP, wo wir ständig mit Österreichern zusammenarbeiten, wir haben die Kontakte dieses Landtags zu Vorarlberg und zur Steiermark.

Wir Republikaner fordern daher heute, meine Damen und Herren, die Landesregierung auf, sich klar und deutlich von den Boykottmaßnahmen der Bundesregierung abzusetzen und auch künftig europäische Solidarität mit dem Nachbarland Österreich zu üben.

Wir fordern die Landesregierung weiterhin auf, in den schon erwähnten Organisationen mit österreichischen Vertretern wie gehabt zusammenzuarbeiten und keine Ausgrenzung zu üben.
(Zuruf von der SPD)
Und wir richten auch an Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier in diesem hohen Hause den Appell, auch künftig die guten Beziehungen zu den österreichischen Landtagen aufrecht zu erhalten.

Der Landtag in Graz und der Landtag in Bregenz kennen auch die FPÖ-Klubs, und zu denen gilt dann eben auch der gute Kontakt.

Meine Damen und Herren, wer es mit Europa ernst meint, darf und kann sich an der Ausgrenzung Österreichs nicht beteiligen. Wer sich um die Wahrung der Menschenrechte sorgt, soll sich um die Menschenrechtsverletzungen in Grosny kümmern. Da aber ist bei Ihnen auf dem linken Flügel bis heute Fehlanzeige.
(Zurufe von der SPD)
Sie schreien da jetzt links außen.
Aber eines will ich Ihnen auch noch sagen:
Wer den Boykott Österreichs zum Maßstab macht, muss sich doch fragen lassen, ob dann nicht auch die Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Beteiligung einer demokratiefeindlichen kommunistischen Partei in der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern unter Quarantäne gestellt werden müsste.

Sie müssen sich vorhalten lassen, dass Sie es mit den Maßstäben, die Sie gerne an andere anlegen, selbst nicht genau nehmen.
(– Abg. Brechtken SPD: Wir lieben Österreich, aber kein braunes G’schwerl!)


Teil 2 der Debatte  -  Stellv. Präsident Birzele:
Ich erteile das Wort Herrn Abg. Dr. Schlierer.

Abg. Dr. Schlierer REP:
Ich darf vielleicht eine Vorbemerkung machen: Ich kann die Ängste der Grünen hier durchaus entkräften.

Wir haben gar nicht vor, Haider zu kopieren, weil wir die österreichischen Verhältnisse zu gut kennen, um nicht zu wissen, dass sie sich nicht auf dieses Land übertragen lassen.
Aber wir sind froh, dass durch Jörg Haider und die Reaktion auf ihn jetzt wenigstens eines deutlich geworden ist: dass nämlich die Maßstäbe, die Sie selbst hier wie eine Monstranz vor sich hertragen, spätestens dann sich regelmäßig in Luft auflösen, wenn es mal zu einem konkreten Fall kommt.

Sie selber sind gescheitert an Ihren hehren und hier immer aufgeblasenen Wertvorstellungen, weil Sie sich jetzt im konkreten Fall dieser Wertvorstellungen völlig entledigt haben.

Erlauben Sie ein Wort zu Herrn Staatsminister Palmer.
Eines hat natürlich die Debatte schon als Positives heute ans Tageslicht gebracht, dass sich nämlich die Landesregierung von Baden-Württemberg vom Kurs der Bundesregierung deutlich absetzt. Das begrüßen wir. Das ist hervorragend.
(Beifall bei den Republikanern – Abg. Pfister FDP/DVP: Hoffentlich! – Abg. Roland Schmid CDU: Auf vielen Feldern!)
Allerdings, Herr Palmer, wenn Sie uns hier als Reisesachverständige oder Urlaubssachverständige darstellen, dann sollten Sie sich lieber an das eigene Portepee fassen, denn bei Flugreisen und ähnlichem sind Sie wesentlich erfahrener als wir.
Worum geht es?
Meine Damen und Herren, es geht doch darum, dass wir deutlich machen, was Europapolitik jetzt eigentlich bedeutet.
Heißt es Politik zwischen souveränen Staaten, die nach dem Völkerrecht einen Anspruch darauf haben, dass sich nicht jeder ungefragt in ihre innere Angelegenheit einmischt
Oder gibt es jetzt – die Grünen sind die einzigen, die es offen sagen – eine Art Wertegemeinschaft, die eine Art europäische Innenpolitik zur Folge hat.

Für uns ist eines klar – das ist das Positive an dieser Debatte, dass wir noch einmal deutlich machen können –, wir sind nicht gegen Europa, wir waren es auch in der Vergangenheit nicht, aber wir sind gegen das Europa, das Sie jetzt hier zeigen, ein Europa, das, um Herrn Hildebrandt im Kern zusammenzufassen, doch darin besteht, Herr Hildebrandt, am deutschen Wesen soll Europa genesen.

So wollen Sie Politik in Europa machen und das lehnen wir ab.
Für mich ist das – ich sage es ganz offen – eigentlich ein totalitäres Denken in der Grundstruktur.
Deswegen fällt an dieser Stelle Ihre wohlgehütete Maske.
Im Übrigen gilt das auch für die SPD.
Wissen Sie, wenn Herr Caroli jetzt davon spricht, es ginge da um das Grundverständnis Demokratie, da kann ich Ihnen nur eines entgegenhalten: Zur Demokratie gehört nämlich auch, dass man sich beispielsweise an Verträge hält.

Was Sie hier deutlich gemacht haben, dass Sie nämlich glauben, aufgrund des Amsterdamer Vertrages könnte man so handeln, wie das jetzt die 14 EU-Regierungschefs gemacht haben, zeigt, dass sie entweder den Amsterdamer Vertrag nicht kennen oder ihn aber vorsätzlich missachten wollen.

Da gibt es im Artikel 7 ganz klare Prozeduralien.
Man setzt sich darüber hinweg, man stellt einfach etwas fest – das ist die klassische Vorverurteilung – und meint dann, sozusagen den moralischen Anspruch zu haben, so zu handeln, wie wir das hier gesehen haben.
(– Abg. Wintruff SPD: Wehret den Anfängen!)

Also: Ich will an der Stelle nur eines festmachen.
Es ist wirklich so – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – aus der heutigen „Welt“, wie es Michael Wolffsohn sehr zutreffend heute zu Haider formuliert hat:
Die Dummheit seiner Gegner macht mir Sorgen – und deren Heuchelei.
Das demokratische Österreich wird von der EU boykottiert.
Hofiert werden aber gleichzeitig Diktatoren wie Iraks Sadam Hussein, besonders von Frankreich; Libyens Gaddafi von Italien; oder die iranischen Mullahs von fast allen Europäern, obwohl Teheran den Friedensprozess in Nahost durch Morde torpediert.

Sehen Sie, das ist das Problem. Die doppelte Moral, die wollen wir hier deutlich machen und das muss offengelegt werden.
Im Übrigen noch ein Wort zu den Zitaten.

Wenn Herr Haider sich von bestimmten Äußerungen inzwischen distanziert hat, sehe ich keine Notwendigkeit, hier in Baden-Württemberg einen Nachklapp dazu zu machen.

Aber an einem Fall will ich Ihnen auch Ihre doppelte Moral vorhalten.
Sie haben vorhin dieses Zitat gebracht, in dem sich Haider vor etlichen Jahren gegenüber Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS geäußert hat.
Das wäre einmal ein abendfüllendes Thema, insbesondere wenn man die Äußerungen von SPD-Politikern zu diesem Thema heranzieht.
Ich habe inzwischen Zeitzeugen kennengelernt, die sich noch gut daran erinnern können, was Helmut Schmidt hier in Stuttgart vor Angehörigen der HIAG mal ausgeführt hat, seine Position zur Waffen-SS.
Das deckt sich mit dem, was Senator Helmut Schmidt am 12. November 1965 in der „Zeit“ wie folgt ausgedrückt hat:
Man darf nicht in den Fehler verfallen, alle 900 000 Soldaten der Waffen-SS mit einer besonderen Kollektivschuld zu beladen und sie mit den SS-KZ-Bewachungsmannschaften in einen Topf zu werfen.

(Zurufe der Abg. Drexler, Abg. Wintruff und Dr. Caroli SPD)

Ich sage Ihnen nur eines:
Sie müssen sich an Ihren eigenen Zitaten aus Ihren eigenen Reihen messen lassen. Wenn ich das nehme, sehe ich überhaupt keine Notwendigkeit, eine Diskussion zu führen, wie Sie sie hier versucht haben.
(Zuruf von der SPD: Sie verstehen nicht einmal, was Sie lesen!)
Zum Abschluss will ich Ihnen eines nur deutlich sagen:
Was mir an dem Haider imponiert, ist Folgendes:
(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)
Er hat im Gegensatz zu anderen Politikern keine Gesetze gebrochen, niemals Steine auf Polizeibeamte geworfen, nicht mit Mauermördern oder Diktatoren kokettiert, keine Menschenrechte verletzt, niemals zur Anwendung von Gewalt aufgerufen, keine Geldwäsche betrieben, keine schwarzen Kassen geführt und sich nicht bereichert. Ich glaube nicht, dass Sie das von sich hier sagen können.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Weitere Unterlagen und
Informationen erhalten
Sie  von  der  Fraktion
 
Haus der Abgeordneten
70173  Stuttgart
Tel  0711 - 2063922
Tel  0711  - 2063924
Fax. 0711 -  2063935
www.rep-landtagbw.de